Radler leben in Nürnberg gefährlich

9.4.2013, 06:57 Uhr
Radler leben in Nürnberg gefährlich

© Stefan Hippel

Das wäre beinahe schiefgegangen. Gerade biegen die Jurymitglieder mit ihren Rädern auf den Streifen vor dem Hauptbahnhof, da werden sie Zeuge eines Beinah-Unfalls zwischen einem Autofahrer und einem Radkurier. „Das an der Ausfahrt des Kurzzeitparkplatzes ist ein Brennpunkt“, räumt Frank Jülich ganz offen ein.

Radler leben an dieser Stelle gefährlich. Auf dem Stück ist nicht viel Platz, der Radstreifen in beide Richtungen befahrbar und Autofahrer oft abgelenkt. Doch der Leiter des Nürnberger Verkehrsplanungsamts verspricht Verbesserungen am Bahnhofsvorplatz. Noch heuer sollen Pläne vorgelegt werden, sogar mit einer Querung des vielbefahrenen Platzes für Fußgänger. Jülich: „Davon profitieren auch Radfahrer.“ Vor dem Grand- Hotel, erklärt er der Jury in einer Fragestunde, soll es künftig auch ein Angebot für Radfahrer geben.

Gut zwei Stunden ist die Bewertungskommission der „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen“ (AGFK) gestern durch die Alt- und die Südstadt geradelt, um sich noch einmal einen Eindruck von dem Angebot für Radler zu machen. Eine erste Runde der Experten von Polizei, Verkehrswacht, ADFC, AGFK und den Landtagsfraktionen fand bereits kürzlich statt, erklärt Hugo Walser, Nürnbergs Fahrradbeauftragter. Solche „Vorbereisungen“ habe es auch schon in einigen anderen der 38 Mitgliedskommunen gegeben, betont er, doch die müssten erst noch Hausaufgaben vor der Hauptprüfung machen.

Anders Nürnberg. „Dies ist eine höchst fahrradfreundliche Stadt“, lobt Jury-Vorsitzende Helga Schmitt-Bussinger, SPD-Landtagsabgeordnete im Nürnberger Süden, das Engagement. „Auch in haushaltskritischen Zeiten wird in den Radverkehr investiert. Das ist nicht nur eine Schönwetterpolitik.“ Der Titel wird für sieben Jahre vergeben, dann könnte erneut geprüft werden.

„Nürnberg tritt in die Pedale“

Karl Freller, Vize-Chef der CSU-Landtagsfraktion, findet, dass „Nürnberg in die Pedale tritt“. Der Radverkehr genieße große Aufmerksamkeit. Es gebe die Gestaltungskraft und den Willen, auch etwas Neues anzugehen, wie das Radverleihsystem und die Kampagne „Nürnberg steigt auf“. Er nennt ebenfalls die Finanzierungsbereitschaft, aber auch die Kontinuität, mit der die Stadt seit Anfang der 1990er Jahre den Radverkehr vorantreibe. „Wir werden dem bayerischen Innenministerium daher vorschlagen, Nürnberg den Titel als erster Mitgliedskommune zu verleihen“, sagt Marlene Wüstner, Erlangens Umwelt- und Rechtsreferentin und Vorsitzende der AFGK. Da ein Vertreter des Innenministeriums in der Jury sitzt, dürfte dies nur noch Formsache sein.

Am Vormittag hatte Jülich den Juroren die Nürnberger Radverkehrspolitik vorgestellt. So stehen bis 2014 (seit 2009) 4,7 Millionen Euro für den Radwegebau zur Verfügung. Im Zeitraum davor seien es nur 1,3 Millionen gewesen. Bis 2015 soll der Radverkehrsanteil von 13 auf 20 Prozent gesteigert werden. „Ein ehrgeiziges Ziel“, gesteht Jülich. Zu den 290 Kilometern Radweg sollen 80 hinzukommen. Vier Radstationen in der Altstadt werden gebaut, bis zu 500 neue Stellplätze in der Südstadt sind vorgesehen. Als Modellstadt für Bayern entsteht gerade für das Internet ein Radroutenplaner für Nürnberg. Und wenn es nach der Stadtverwaltung und der Polizei gehe, so Jülich, „können wir auch den Hauptmarkt für den Radverkehr öffnen“.

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