Ramadan in Nürnberg: Wo der Verzicht Völker verbindet

29.5.2017, 06:00 Uhr
Das Fastenbrechen in der Islamischen Gemeinde Nürnberg bringt während des Ramadans an manchen Tagen bis zu 300 Menschen in der Moschee Hessestraße zusammen.

© Eduard Weigert Das Fastenbrechen in der Islamischen Gemeinde Nürnberg bringt während des Ramadans an manchen Tagen bis zu 300 Menschen in der Moschee Hessestraße zusammen.

Für gläubige Muslime bedeutet der Fastenmonat Ramadan nicht nur Enthaltsamkeit und Entbehrungen, sondern steht im Idealfall auch für innere Einkehr und Besinnlichkeit sowie die Entschleunigung des Alltags. Nicht so jedoch für Ibrahim (65) und Osman Göksen (70), für die der erste Fastentag alles andere als geruhsam läuft. Schon ab den Morgenstunden sind die Brüder auf den Beinen, bis ihnen am Abend Schweißperlen auf der Stirn stehen. Das rüstige Rentner-Duo ist dafür verantwortlich, dass an manchen Tagen bis zu 300 Menschen in der Moschee Hessestraße eine warme Mahlzeit vorgesetzt bekommen.

So viele Männer und Frauen finden sich während des Ramadans Abend für Abend dort ein, um nach einem entbehrungsreichen Tag ohne Essen und Trinken gemeinsam das Fasten zu brechen. Eine logistische Herausforderung. Während Ibrahim der Chef am Herd ist und als Koch auch seine Lebensmittel größtenteils täglich frisch beschafft, ist sein älterer Bruder Osman für die logistische Abwicklung verantwortlich, von der Verwaltung der gesammelten Spenden - jedes Fastenbrechen schlägt mit 200 bis 400 Euro zu Buche - bis hin zum Aufstellen von Stühlen und Tischen und der Essensausgabe. Dass sie dabei bis Sonnenuntergang selbst ebenso weder essen noch trinken, ist für die beiden frommen Muslime selbstverständlich.

Von Albanien bis Zentralafrika

Mostafa Eljojo, Vorsitzender der Islamischen Gemeinde Nürnberg, ist heilfroh, dass er sich auf die Göksen-Brüder verlassen kann. "Unter den mehr als drei Dutzend Nationalitäten, die wir in der Gemeinde haben, sind die Türken die Erfahrensten, was Organisation und Vereinsarbeit angeht", lobt der gebürtige Palästinenser. Wie integrativ die bunte Gemeindestruktur wirkt, zeigt sich während des Fastenbrechens. "Egal woher sie kommen - von Albanien bis Zentralafrika -, hier sprechen alle deutsch miteinander, sonst würden wir uns gar nicht verstehen", sagt Osman Göksen, der als Letzter Essen gefasst hat und nun mit einer Mischung aus Stolz und Erleichterung den Blick durch den Speisesaal schweifen lässt.

"Passt doch gut zum Ramadan", findet Eljojo. Schließlich sei die Fastenzeit, während der von der Dämmerung bis zum Sonnenuntergang nicht gegessen, getrunken oder geraucht wird, nicht primär eine Prüfung der Willenskraft oder Leidensfähigkeit. Sie soll vielmehr die Gläubigen zusammenrücken lassen. "Durch den Verzicht empfinden wir am eigenen Leibe nach, wie es jenen ergeht, die nichts haben. Das gemeinsame Fastenbrechen wiederum verbindet Freunde und Familien." Oder eben verschiedene Völker, wie in der Hessestraße.

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