Ratlos und hungrig vor dem Supermarktregal

15.5.2014, 00:00 Uhr
Ratlos und hungrig vor dem Supermarktregal

© Matejka

Doch das geht für Biß nur in wenigen Lokalen, denn sie muss genau wissen, was auf den Tisch kommt: Die 38-Jährige verträgt kein Gluten, keine Laktose, keine Fruktose und kein Histamin, dazu quälen sie noch Kreuzallergien. Essen gehen ist für Menschen wie sie ein Wagnis mit oftmals ungewissem Ausgang.
Eigentlich ist Biß Erzieherin, doch die eigene Not mit dem Essen hat sie zur Nahrungsmittelexpertin gemacht und ihr einen neuen Job verschafft.

Heute hilft sie anderen Geplagten, die ratlos zwischen Supermarktregalen stehen und berät Läden und Restaurants, die Menschen mit Intoleranzen als Kunden entdeckt haben. Für diese Geschäftsidee wurde sie im vergangenen Dezember von der Initiative „Kreative Köpfe“ zum „2. Kreativen Kopf der Metropolregion“ gekürt.
Immer wieder erlebt Biß, dass Betroffene mit multiplen Unverträglichkeiten — wenn die Diagnose endlich gestellt ist — mit einer ellenlangen Liste an Lebensmitteln nach Hause geschickt werden, die sie ab sofort meiden sollen. „Von was sie sich stattdessen ernähren sollen, verrät ihnen aber keiner“, sagt Biß. „Die meisten, die zu mir kommen, wissen einfach nicht mehr, was sie noch essen sollen. Manche magern richtig ab.“

Dann geht Biß mit ihnen im wahrsten Wortsinn auf „Nahrungssuche“. „Es geht darum, nicht noch mehr zu streichen, sondern schmackhafte Alternativen zu finden.“ Vor allem in Bioläden und Reformhäusern schlummern einige essbare Schätze für Menschen mit Unverträglichkeiten. „Kastanienbrot zum Beispiel, wer kennt das schon?“, nennt Biß eine Alternative.
Für Restaurants sondiert sie die Karte und entwickelt mit den Köchen Gerichte, die für möglichst viele Gäste essbar sind. Das sei viel einfacher, als viele Gastronomen denken, sagt Biß. „Reis mit Pute und Gemüse ist ein gutes Beispiel. Das kann fast jeder essen.“ Einfache Gerichte mit wenigen Zutaten sind in der Regel die besten. „Manchmal reicht es schon, die Beilage auszutauschen, damit ein Essen verträglich wird“, erklärt Biß. „Vegan zu kochen, ist eigentlich viel komplizierter.“

Ihren Schützlingen rät sie, bei der Bestellung im Restaurant konkrete Wünsche zu äußern, statt „Negativlisten“ für den Koch abzugeben. „Sonst muss der eine neue Idee entwickeln, wenn der Gast schon im Lokal sitzt.“

Auch wer sich vorher die Karte im Internet ansieht und telefonisch Änderungen anmeldet, spart sich und dem Lokal unnötigen Stress.
Dass nur wenige Restaurants das Thema offensiv angehen, hält Biß für einen Fehler. Betroffene trauten sich oft nicht, Sonderwünsche anzumelden und verzichteten lieber auf den Nachtisch, den Milchkaffee oder gleich ganz aufs Essen außer Haus. „Ist das Angebot aber erst mal da, kommt auch die Nachfrage.“
 

Mehrmals im Monat berät Kerstin Biß in Kooperation mit dem „Basic Bio-Supermarkt“ im Maximum, Färberstraße 11, Nürnberg, kostenlos beim Einkauf und zu allen Fragen rund um Lebensmittel und Unverträglichkeiten.
Die nächsten Termine sind am 14. und 28. Juni und am 2. August, jeweils von 13 bis 15 Uhr, und am 10. und 17. Juli, jeweils von 17 bis 19 Uhr.
Der Stammtisch „Meet and eat“ findet am Mittwoch, 21. Mai, in der Crêperie „Yechet Mad“ in der Südstadt, Brosamerstraße 12, Nürnberg, und am Freitag, 27. Juni, in der Trattoria Mamma Leone, Allersberger Straße 145, Nürnberg, statt (18.30 bis 21.30 Uhr). Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung per Mail unter meetandeat@vivalaeat.de ist erforderlich.
Freitags bietet Kerstin Biß von 9.30 bis 10.30 Uhr unter Telefon (0911) 94435482 eine Hotline an (maximal zehn Minuten pro Person, nur eigene Telefonkosten).
Auf Anfrage kann man Kerstin Biß auch für eine „Küchen-Challenge“ buchen. Bei diesen Koch- und Backkursen findet die Ernährungsberatung in der eigenen Küche statt. Weitere Termine und Informationen rund um das Thema Nahrungsmittelunverträglichkeiten gibt es im Internet unter www.vivalaeat.dethu

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