Schatz, bitte geh’ mir aus der Schusslinie!

17.5.2011, 00:00 Uhr
Schatz, bitte geh’ mir aus der Schusslinie!

© Wolfgang Zink

Bei Zieglers begann die Begeisterung für Pfeil und Bogen vor fünf Jahren, während ihrer Hochzeitsreise. Die Clubanlage auf Kreta hatte Bogenschießen im Angebot, seither sind die beiden dieser Sportart regelrecht verfallen. „Das macht echt süchtig“, sagt Stefanie Ziegler, während sie mit ihrem pink verkleideten Bogen in der einen und dem Rucksack in der anderen Hand durch den Wald hinter dem Schießhaus in Erlenstegen stapft.

In den kommenden Stunden muss die 31-Jährige auf ihren Liebsten verzichten, das hat die Auslosung der Startergruppen so ergeben. Das Wetter ist sommerlich mild, es ist windstill und vor allem trocken – beste Voraussetzungen also für einen Bogenwettkampf im Freien.

Die Bezirksmeisterschaft im Feldbogenschießen ist Stefanie Zieglers erste Erfahrung im Feldbogenbereich überhaupt. Bislang war die Schützin der GS Boxdorf hauptsächlich im Fita-Schießen aktiv; diese Form des Sports wird auf ebenem Feld und auf festgelegten Distanzen durchgeführt.

Ein geschultes Auge ist notwendig

Das Schießen im Feld ähnelt dagegen mehr einem Abenteuerparcours. Die Zielscheiben stehen über das gesamte Gelände verteilt, es gilt, das Ziel aus unterschiedlichen Entfernungen, durch Bäume hindurch oder von kleinen Anhöhen herab zu treffen. Ständig wechselnde Lichtverhältnisse und teils schräg gestellte Scheiben erschweren das Zielen zusätzlich. Die Starter sind in Vierergruppen unterteilt; da entwickelt sich meist rasch eine eigene Gruppendynamik. Stefanie Ziegler ist mit ihrer „Scheibe“ sehr zufrieden, ihre drei Mitstreiter sind ihr auf Anhieb sympathisch, außerdem geben sie der Debütantin auch mal den ein oder anderen Tipp, wie sie ihren Bogen einzustellen hat.

Beim ersten Durchgang sind die Entfernungen zur Zielscheibe noch angegeben, in Runde zwei wird auf unbekannte Distanzen gezielt, hier ist ein geschultes Auge gefragt, das die Entfernungen gut abschätzen kann. Drei Schüsse pro Scheibe hat jeder Schütze, anschließend werden die getroffenen Ringe gezählt.

Schatz, bitte geh’ mir aus der Schusslinie!

© Wolfgang Zink

Während es für Stefanie Ziegler diesmal lediglich darum geht, erste Erfahrungen im Feld zu sammeln, gehen andere Teilnehmer mit weitaus höheren Erwartungen an den Start. Die Nürnbergerin Michele van der Voorn etwa war schon mehrfach bei deutschen Meisterschaften und will auch in dieser Saison die Qualifikation schaffen. Van der Voorns Ehemann ist – wie könnte es anders sein – ebenfalls leidenschaftlicher Schütze, allerdings startet er erst tags darauf in der Compound-Klasse. „Wir haben lange Zeit eine Wochenend-Ehe geführt und dann nach einem gemeinsamen Hobby gesucht“, erzählt Thomas Adamczyk. Der Schnupperkurs habe sie schließlich vom Bogenschießen überzeugt. „Man muss sich unglaublich konzentrieren und den Kopf frei machen“, beschreibt Adamczyk die Faszination. Ehefrau Michele – die 41-Jährige arbeitet als SAP-Beraterin – ergänzt: „Beim Bogenschießen kann ich nach einem langen Arbeitstag super abschalten.“

Bei den Zieglers geht die Begeisterung inzwischen schon soweit, dass sie ein eigenes kleines Geschäft für Bogenzubehör eröffnet haben. Christian Ziegler könnte man durchaus als Senkrechtstarter bezeichnen. Bereits ein Jahr, nachdem er mit dem Bogenschießen begonnen hatte, holten ihn die Boxdorfer in ihr Bundesliga-Team. Seit zwei Jahren nimmt er außerdem an Feldbogenwettkämpfen teil. Ziegler – im Hauptberuf Transportkältetechniker – trainiert inzwischen viermal pro Woche.

„Wir haben hier in Mittelfranken Glück, hier hat sich eine eingeschworene Schützenfamilie entwickelt, die viel gemeinsam unternimmt“, sagt Ziegler. Strukturell gebe es aber schon noch einiges zu tun. So fehle es gerade im Nachwuchsbereich an ausreichend qualifizierten Trainern. „Es ist eben eine Randsportart, der es an den finanziellen Mitteln mangelt“, sagt Ziegler. Immerhin erfährt die Sportart seit einiger Zeit stetig wachsenden Zulauf: Rund 1200 Bogenschützen, schätzt Bezirksbogenreferent Herbert Zollhöfer, sind in den 100 Schützen- und Bogenvereinen Mittelfrankens aktiv. Kritiker behaupten, dass viele Schützenvereine ohne die Bogensportler längst um ihre Existenz fürchten müssten. Einige fordern gar hinter vorgehaltener Hand, es würde der Sportart gut tun, wenn man sich von den Schützenvereinen abspalten und einen eigenen Verband gründen würde.

Freilich auch, um sich ein besseres Image zu verschaffen. „Als im letzten Jahr die Jugendeuropameisterschaft in Winnenden stattfand, hat es Proteste von Anwohnern gegeben“, erzählt Adamczyk. So können die Schützen immer nur betonen, dass der Bogen nicht als Waffe, sondern als reines Sportgerät gilt. Und dass dieser Sport einiges an Konzentration und Präzision erfordert.

Wie anspruchsvoll so ein Wettkampf im Feld sein kann, muss auch Stefanie Ziegler erleben. Dass sie sich bei ihrem Feldbogendebüt nun ausgerechnet mit dem letzten Platz begnügen muss, wäre nicht unbedingt nötig gewesen, findet die Schützin. Immerhin sind noch alle ihre Pfeile da, auch ein kleiner Erfolg für sie. Und vom Ehemann gibt es am Ende des Tages trotz allem ein dickes Lob.

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