Schwimmlehrer: "Unterricht scheitert nicht an fehlenden Bädern"

11.7.2019, 05:54 Uhr
Schwimmlehrer:

© Foto: epd-bild/Peter Roggenthin

Herr Boerner, was halten Sie von Schwimmunterricht in Hotelpools?

Dietrich Boerner: Die Idee ist nicht schlecht, aber bei weitem nicht neu: Mein zweitältestes Enkelkind hatte vor 13 Jahren in einem Hotelpool in Erlangen einen Schwimmkurs. In der Fortbildung Kleinkinderschwimmen wurde ich vor sieben Jahren auf diese Möglichkeit hingewiesen. Auch in Bad Kissingen, wo es viele solche Hotels gibt, bietet die DLRG Schwimmkurse in Hotelpools an. Neu ist die Initiative von Sascha Krone, Hotelpools übers Internet an Schwimmlehrer zu vermitteln. Früher waren Schwimmlehrer örtlich vernetzt und kannten die Hotelpools.

Eignen sich Hotelpools denn, um Kindern Schwimmen beizubringen?

Boerner: Diese Pools sind für Wassergewöhnung und das Erlernen der Schwimmbewegungen geeignet, nicht aber für das Seepferdchen, weil das Wasser nicht tief genug ist. Die Kinder lernen so, dass sie sich nach dem Reinspringen vom Boden abstoßen können, ebenso wenn sie mal untergehen. Wenn im September das Schulschwimmen beginnt, fragen die Lehrer nach dem Seepferdchen. Wer es hat, springt ins Sportbecken und schwimmt 25 Meter vor. Jedes Jahr muss ich mehrmals hinter solchen Hotelpool-Seepferdchen herspringen.

Schwimmlehrer:

© Foto: Horst Linke

Gibt es noch weitere Nachteile? Die Hotelpools sind ja vor allem zur Entspannung und kurzen Abkühlung der Gäste gedacht, weniger zum klassischen Bahnenziehen...

Boerner: Die Hotelpools sind meistens nur zehn Meter lang, das heißt, nach zehn Metern kann sich das Kind kurz festhalten. 25 Meter sind dann psychologisch für ein Kind unendlich weit. Nach meiner Meinung sollte in der Seepferdchen-Prüfungsordnung eine Wassertiefe von 1,6 Metern und eine Beckenlänge von 25 Metern vorgeschrieben werden.

"Scheitert nicht an fehlenden Hallenbädern"

Die Idee mit den Hotelpools klingt nach einer Notlösung. Tun die Kommen zu wenig, um ausreichend Schwimmunterricht zu ermöglichen?

Boerner: Kommunen sind für Schwimmbäder verantwortlich. Kleine Kommunen in der Prärie können sich den Erhalt ihrer Schwimmbäder aber gar nicht leisten, geschweige denn im erforderlichen Maß neue bauen. Wenn der Freistaat im Lehrplan Schwimmunterricht vorschreibt, muss er die Kommunen in die Lage versetzen, Schwimmbäder zu bauen.

Wenn über 50 Prozent der Zehnjährigen nicht sicher schwimmen können, muss dringend etwas getan werden. Wo sehen Sie die Hauptprobleme?

Boerner: Hier im Ballungsraum scheitert der Schwimmunterricht nicht an fehlenden Hallenbädern, sondern daran, dass der Kultusminister meint, eine Lehrkraft mit 28 Kindern könne 30 Prozent Nichtschwimmern das Schwimmen beibringen und gleichzeitig die Übrigen zum Jugendschwimmabzeichen Bronze führen. Sie kann aber bestenfalls die Sicherheit gewährleisten. Der Deutsche Schwimmlehrerverband geht zu Recht von einer maximalen Gruppenstärke von sechs Nichtschwimmern aus. Verständlich, dass sich Lehrer weigern, unter diesen Bedingungen mit ihren Klassen schwimmen zu gehen.

"Inzwischen finden wir keine FSJler mehr"

Wie ließe sich die Situation verbessern?

Boerner: Der ehemalige Erlangen-Höchstädter Landrat Eberhard Irlinger hat vor zehn Jahren angeregt, dass Schwimmvereine im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) geeignete junge Leute ausbilden und Lehrern zur Seite stellen. In Herzogenaurach hat das DLRG/Delphin übernommen. Seitdem gehen wieder alle Schulen aus dem Aurach- und Seebachgrund ins Atlantis.

Wie ist die Lage heute?

Boerner: Inzwischen finden wir keine FSJler mehr, weil die für ihre sehr verantwortungsvolle Tätigkeit nur ein Drittel des Mindestlohns bekommen und das Finanzamt verhindert, dass wir ihnen eine Unterkunft stellen. Es ist Aufgabe des Kultusministers, ausreichend Schwimmlehrer zur Verfügung zu stellen und auch zu bezahlen. Die müssten ja kein Hochschulstudium vorweisen.

Sind Eltern dafür verantwortlich, dass ihre Kinder sicher schwimmen können?

Boerner: Immer wieder höre ich, es sei Aufgabe der Eltern, die Kinder in Schwimmkurse zu schicken. Davon leben die Mitglieder des DSLV. Das kostet pro Kind bei zehn Stunden circa 400 Euro im Hotelpool oder 250 Euro in öffentlichen Bädern.

Und mit dem ersten Kurs allein ist es längst nicht getan...

Boerner: Meist reichen zehn Stunden nicht aus. Wenn man das Glück hat, einen Kurs bei Ehrenamtlichen der DLRG zu erwischen, reichen vielleicht 125 Euro. Dazu kommen aber die Fahrtkosten - auf dem Land mit dem VGN sind das schnell zehn Euro pro Schwimmstunde. Das ist bei Hartz IV überhaupt nicht vorgesehen, aber auch für manche Familie knapp über Hartz IV nicht bezahlbar. In Nürnberg etwa gibt es bei der DLRG deutlich mehr Nachfrage, als sie mit ihren ehrenamtlichen Schwimmlehrerinnen und -lehrern befriedigen kann.

Würden mehr außerschulische Kursangebote den Druck auf die Schulen reduzieren?

Boerner: Nicht wirklich: Es ziehen vermehrt Kinder aus Gegenden zu, wo es keine Schwimmbäder gibt, bei weitem nicht nur Flüchtlingskinder, sondern auch solche aus Rumänien, Bulgarien, Portugal oder Indien. Die Statistik sagt: Sie sind weit überproportional vom Ertrinkungstod bedroht. Die Schule muss diese Kinder auch mitnehmen!

Wie können die Schulen das tun?

Boerner: Dafür müsste das Kultusministerium ausreichend Personal zur Verfügung stellen.

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