Senioren geprellt: Die Tricks der Callcenter-Mafia

12.6.2019, 17:44 Uhr

Erst im Herbst 2018 hatte das Landgericht zwei Trickbetrüger zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Treffen die Vorwürfe zu, steht nun wieder ein Mann vor Gericht, der ältere Menschen skrupellos um ihr Vermögen gebracht hat. Zu Prozessbeginn schweigt der Angeklagte: Der 27-jährige Vertriebsmitarbeiter befindet sich seit November in Untersuchungshaft, er soll als Kurier fungiert haben. Laut Anklage sitzen seine Hintermänner in der Türkei – genauer in einem Callcenter, dessen Geschäftsmodell systematischer Betrug ist. Die Mitarbeiter dort telefonieren Senioren ab, sie verwenden dafür Nummern, die vorher gekauft wurden. Adresshändler gelangen an diese Daten häufig per Gewinnspiel oder Preisausschreiben.

Systematisch Angst erzeugt

In einem bereits abgeschlossenen Strafverfahren schilderte der federführende Ermittler, dass die geschulten Callcenter-Mitarbeiter gezielt die Rufnummern von Menschen mit altmodisch klingenden Vornamen wählen. Über ein technisches Verfahren erzeugen die Anrufer eine Telefonnummer, die der Notrufnummer 110 ähnelt – diese Nummer erscheint bei den Opfern im Display und soll die Glaubwürdigkeit der Täter erhöhen.

Die Kriminellen geben sich am Telefon als Polizisten aus und versetzen als Amtsträger ihre Opfer in Angst und Schrecken: Im aktuellen Strafverfahren wurden zwischen Februar und September 2018 Männer und Frauen in Erlangen und München und den Stadtteilen Neuselsbrunn, Thon und Eibach geprellt.

Warnung vor Einbrecherbande

Ein Anrufer trat als Oberkommissar vom Polizeipräsidium Nürnberg auf und warnte eine 90-Jährige vor einer rumänischen Einbrecherbande, die in der Nachbarschaft unterwegs sei, er sprach von einer Liste, die jene Gruppe angeblich führte — darauf sei auch ihr Name notiert. Um die Gefahr zu bannen, werde ein Polizist (mutmaßlich der Angeklagte) ihr Geld abholen. Nicht nur diese 90-Jährige legte wie befohlen mehrere Tausend Euro vor die Haustür: Angeklagt ist gewerbsmäßiger Bandenbetrug in elf Fällen, der Gesamtschaden beträgt fast 400.000 Euro.

Einer Nürnbergerin (78) setzten die Betrüger besonders übel zu. Ein angeblicher Beamter der Kriminalpolizei am Jakobsplatz gaukelte ihr vor, dass Einbrecher, bewaffnet mit Maschinenpistolen, bereits vor ihrer Tür stehen. Weil sie so zögerlich handle, sei ihr Sohn bereits angeschossen worden. In Panik packte die Frau 70.000 Euro auf den Fußabstreifer vor ihrer Wohnungstür. Der Prozess geht weiter.