Snacken und shoppen

4.2.2013, 00:00 Uhr
Snacken und shoppen

© Stefan Hippel

Wenn das Frühstück viele Kleideranproben zurückliegt und der Blutzucker unter die Nachweisgrenze gefallen ist, tritt man dankbar ein. Essen, Trinken und ein Stuhl, endlich.

Ein unterzuckerter Kunde, das erkannten Warenhäuser wie Karstadt schon vor Jahrzehnten, legt wenig Einkaufseifer an den Tag. Und verlässt, wenn er nicht schnell wieder gestärkt wird, das Haus. Jahrelang sollten kantinenartige Verpflegungsstationen diesen Schwund verhindern. Sie füllten zwar die Mägen, waren aber in etwa so gastlich wie ein U-Bahnhof.

Abgelöst wurden sie von Bedienrestaurants, die mit einem ältlichen Stammpublikum bis in Zeiten überdauerten, in denen vor den Kaufhaus-Türen längst Imbissbuden und Coffee-Shops an jeder Ecke zu finden waren. Im Kaufhaus zu essen, das mag beim Möbelriesen vor den Stadttoren noch Sinn machen, aber in der Innenstadt? Hier fühlt es sich an wie ein Auslaufmodell.

Große Lampen, bunte Fliesen

„Stimmt nicht“, sagt Peer Tiedjen, Marketing-Leiter der „LeBuffet“ Restaurants bei Karstadt in Essen. „Die Gastronomie spielt bei Karstadt weiterhin eine deutliche Rolle.“ Erst im vergangenen Jahr hat das Haus an der Lorenzkirche das Lokal neu eröffnet. Und wer nach vielen Jahren wieder eintritt, staunt: Designlampen beleuchten die Tische, bunte Fliesen bringen Farbe an die Wände. Sitzbereiche sind durch Glaskästen mit abstrakten Installationen aus Tassen und Tellern getrennt. „Wir wollen die Aufenthaltsqualität erhöhen und jüngere Leute ansprechen“, sagt Tiedjen. Die Investitionen in die Gastro-Oasen sind mehr als Kundenservice. „Die LeBuffet-Restaurants sind ein Geschäftsfeld, das Geld abwirft“, sagt Tiedjen.

Snacken und shoppen

© Stefan Hippel

In Nürnberg hat nicht jeder Stammgast verkraftet, dass keine Bedienung mehr an den Tisch kommt. 50 Prozent der alten Klientel ist „LeBuffet“ weggebrochen. Doch das Marktplatz-Prinzip, das Einzug gehalten hat, findet neue Fans. An Pasta-Station, Asia-Point, Salat-Buffet, regionaler Theke und Dessertauswahl stellen sich jetzt neben Kaufhaus-Kunden auch Mittagspäusler an, nach einem langen Shoppingtag bleibt man bei Steak- und Fischgerichten abends gern mal länger sitzen. Und wenn Karstadt Glück hat, geht das Konzept doppelt auf und der Gast lässt auf dem Weg nach draußen nochmal Geld an der Kasse. „Cross-Marketing“, nennt es Marketing-Leiter Tiedjen, wenn im Restaurant zum Schmökern Produktmagazine ausliegen. „Oder ich nehme, wenn ich schon mal im Haus bin, wenigstens noch ein paar Socken mit.“

Viele Verlockungen

„Deshalb liegen die Restaurants oft im obersten Stock, weil der Kunde dann auf dem Rückweg vielen Verlockungen widerstehen muss“, bestätigt Axel Gruner, Professor und Berater für Hospitality („Gastlichkeit“) Management an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München. Der Erfolg hängt aus seiner Sicht vor allem von der Umsetzung ab. „Der Kunde ist heute qualitätsbewusst, reiseerfahren und mit Gastro-Konzepten aus der ganzen Welt vertraut. Ist er begeistert und wird überrascht, kommt er wieder. Und spricht auch mit anderen darüber, über neue Medien vielleicht sogar mit mehreren Tausend Menschen“, sagt Gruner.

Bei Breuninger ist man richtiggehend neidisch auf Karstadt und dessen Konkurrenten Kaufhof, der das Dinea-Restaurant vor zwei Jahren ebenfalls zum — wenn auch kleineren — Marktplatz umgebaut hat. „Wir hätten gerne mehr Gastronomie“, klagt Breuninger-Pressesprecher Christian Witt, die Espressobar im Haus ist eine Minimallösung. „Aber in Nürnberg fehlt uns einfach die Fläche. In neuen Häusern geht der Trend dahin, Restaurants und Bars von vorneherein zu integrieren. Kaufhaus-Gastronomie hat auf jeden Fall Zukunft.“

Männer brauchen eine Pause

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© Stefan Hippel

Bei Wöhrl beschränkt man sich auf an einer Theke im trendigen U1-Store, im Dachgeschoss hat sich die Espressobar etabliert. „Vor allem Männer bekommen irgendwann Hunger und wollen nicht mehr mit ihren Frauen mittingeln“, stellt Filialleiter Enrico Baumbach immer wieder fest. „Und wer stundenlang durch die Innenstadt läuft, braucht einen Snack, eine Stärkung. Das gehört für uns zur Dienstleistung dazu.“

Dass „Snacken und Shoppen“ funktioniert, zeigt sich auch daran, dass das Prinzip in immer mehr Branchen durchsickert. Mittlerweile erholen sich Käufer selbst in Buchhandlungen wie Thalia beim Kaffee und schmökern dabei in Bildbänden oder Romanen.

In kleinere Geschäfte sind oft zumindest Espressomaschinen eingezogen. Schlau ist es vom Boutiquenbesitzer auf jeden Fall, dem Kunden einen Kaffee oder eine Erfrischung anzubieten, bestätigt Professor Gruner, der auch einen Nürnberger Herrenausstatter berät. „Durch eine Einladung fühlt sich der Konsument unbewusst verpflichtet, dem Gastgeber etwas zurückzugeben, also in der Regel: etwas zu kaufen.“ Espresso gegen Herrenanzug: Ganz klar ein Geschäft, das sich rentiert.

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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