So läuft die Telefonseelsorge während der Corona-Krise

7.5.2020, 14:24 Uhr
So läuft die Telefonseelsorge während der Corona-Krise

© Foto: Uli Deck/dpa

"Einsam sein ist nicht erst seit Corona ein Thema, das viele Menschen betrifft." Birgit Dier, Einrichtungsleiterin der Telefonseelsorge der Stadtmission Nürnberg, weiß das. Rund um die Uhr suchen dort Menschen Kontakt bei Anonymen am anderen Ende der Leitung.

Knapp 70 Personen engagieren sich ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge Nürnberg. "Von IT-Spezialisten bis zu Psychologen in Rente ist alles dabei. Die unterschiedlichen Lebenserfahrungen der Mitarbeitenden sind ein Schatz für unsere Anrufer", betont Frau Dier. Das Gespräch mit einer Ehrenamtlichen soll erklären, was ihre Aufgaben sind. Natürlich anonym und standesgemäß am Telefon.

Eine Ehrenamtliche berichtet

Es braucht vor allem ganz viel Empathie. So schildert es die Mitarbeiterin, die seit sieben Jahren als Telefonseelsorgerin arbeitet. Die Menschen erzählen lassen und zuhören, sei dabei sehr wichtig. "Viele Anrufer suchen keinen direkten Rat, sondern Verständnis und Anteilnahme", so die Seelsorgerin. "Man kann am Telefon keine Therapie ersetzen, aber Extremsituationen entschärfen. Allein über Probleme zu reden und sie von verschiedenen Seiten zu beleuchten, hilft vielen weiter."

Nach Ankunft des Coronavirus in Deutschland sind die Anruferzahlen bundesweit um 25 Prozent gestiegen, berichtet Einrichtungsleiterin Dier. Das Thema ist immer präsent.

"Oft sind es ältere Menschen, die Angst haben, sich mit dem Virus anzustecken. Andere leiden, weil sie ihre Familien und Bekannten nicht sehen können", so die Mitarbeiterin. Finanzielle Sorgen wegen Kurzarbeit, Angst vor einem möglichen Jobverlust oder generell Existenzängste sind weitere Themen, die durch das Virus zugenommen haben.

"Die Dauerbeschallung erzeugt Unsicherheit. Manche wollen keine Nachrichten mehr hören, weil sie ihnen Angst machen", äußert sich die Ehrenamtliche besorgt. Auch Anzeichen von Lagerkoller sind ihr begegnet. Wenn sich Leute in ihrer Wohnung wie im Gefängnis fühlen und mit dieser Situation schwer umgehen können.

Experten haben daher vor einem Anstieg häuslicher Gewalt gewarnt (wir berichteten). Die Telefonseelsorgerin hält es für wahrscheinlich, dass solche Anrufe nun vermehrt eingehen werden. "Während der Ausgangsbeschränkung dürfte es für Betroffene schwer gewesen sein, uns zu kontaktieren, weil sie nicht unbemerkt in der Wohnung telefonieren können."

Anonymität ist alles

Alle Anrufe bei der Telefonseelsorge sind anonym. Gleiches gilt für die Identität der Ehrenamtlichen. Eine Weiterleitung auf Privatanschlüsse wegen der Ausgangsbeschränkung gibt es nicht. "Die Mitarbeitenden werden häufig mit schwere Themen konfrontiert, die sie von ihren privaten Räumlichkeiten abgrenzen müssen", erläutert die Einrichtungsleiterin. Auch die Mitarbeiterin hält das für sinnvoll. "Für mich ist der Austausch mit meiner Ablösung wichtig. Da kann ich belastende Gespräche reflektieren. Der Heimweg wirkt dann wie eine Schleuse, in der ich mit den Gedanken abschließen kann."

Natürlich gäbe es auch Telefonate, die einen länger beschäftigen, gesteht die Seelsorgerin. "Ich empfinde es aber als Bereicherung, für Menschen in Not da zu sein, die sich oft für die Zeit bedanken. Das entschädigt für so manche Anstrengung", bekräftigt sie abschließend.


Telefonseelsorge: Immer ein offenes Ohr


Die Telefonseelsorge ist für die Corona-Krise jedenfalls gewappnet. Chefin Dier ist vom unermüdlichen Einsatz ihrer Schützlinge begeistert. Täglich melden sich auch Interessenten bei ihr, die mithelfen wollen. Sie findet das toll, aber ohne die einjährige Ausbildung sei das nicht möglich. Wie wichtig die Institution ist, wird nun in Zeiten von Corona immer mehr Menschen bewusst.

Die Telefonseelsorge der Stadtmission Nürnberg ist von Montag bis Sonntag 24 Stunden unter 08 00-111 0 111 und -111 0 222 kostenlos zu erreichen.


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