Stimmen zu den steigenden Preisen des VGN

22.11.2011, 20:12 Uhr
Stimmen zu den steigenden Preisen des VGN

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Zudem seien die staatlichen Fördermittel für den öffentlichen Nahverkehr mehrmals gekürzt worden. Die Proteste gegen diese Entscheidung ebben nicht ab. Wird Mobilität immer mehr zum Luxusgut?

„Ja“, meint Stefan Gerbig von der Linkspartei Nürnberg-Fürth. Schon im Sommer „feierte“ er mit einem Dutzend Parteifreunden am U-Bahnhof Aufseßplatz in Abendgarderobe und mit Sekt den bald „pöbelfreien“ Nahverkehr. „Mobilität ist für einkommensschwache Personen kaum noch bezahlbarer Luxus. Die anstehende Preiserhöhung stellt ein existenzielles Problem dar, gerade bei Arbeitssuchenden, Studierenden und prekär Beschäftigten.“ Gerbig selber fährt schon jetzt bei Wind und Wetter Fahrrad: „Wenn das viel mehr Leute tun würden, bliebe die VGN auf ihren überteuerten Fahrscheinen sitzen.“

Auch Lea Abebe ist wütend wegen der teureren Tickets. Die 19-jährige Jura-Studentin aus Nürnberg pendelt mehrmals in der Woche zur Uni nach Erlangen. Als die zweitälteste von sechs Geschwistern von den steigenden Fahrpreisen zum Jahreswechsel erfuhr, war ihr klar: „Dagegen muss man was machen.“

Sie nervt, dass sich „viele aufregen, aber nichts unternehmen“. Deswegen hat die Studentin beim sozialen Netzwerk Facebook zu Protesten gegen die VAG aufgerufen und einigen Erfolg erzielt: „Es werden immer mehr Unterstützer“, freut sich Abebe, die sich im „Bündnis gegen Fahrpreiserhöhung“ besonders für die Anliegen von Schülern und Studenten engagiert.

„Wir zahlen schon Studiengebühren, Bücher, Wohnung und Essen – worauf sollen wir denn verzichten?“ Unverständlich findet die angehende Juristin zudem, „dass die Uni Erlangen-Nürnberg noch immer kein ordentliches Semesterticket anbietet, wie viele andere Hochschulen in Deutschland.“ Ihr Plan: „In Zukunft werden wir Fahrgemeinschaften bilden und mit dem Auto zur Uni fahren, das ist allemal günstiger.“

Ein Auto hat Jürgen Baran aus Überzeugung nie besessen, umso mehr ereifert sich der Fürther jetzt über die bevorstehenden Teuerungen: „Ich war immer ein begeisterter Anhänger von öffentlichen Verkehrsmitteln, aber die Tickets sind inzwischen purer Luxus.“ Seit Baran 2003 seinen Job in der EDV-Branche verloren hat, lebt er von Ersparnissen und rechnet genau, wie viel er monatlich ausgibt. Sein Umweltjahresabo hat er bereits 2010 nach vielen Jahren gekündigt: „Als die Preise wieder gestiegen sind, habe ich beschlossen auszusteigen.“

Rund 20 Euro pro Monat sieht sein Budget für Fahrscheine vor: „Für mich bedeutet dies, dass ich mir so manches Mal überlege, ob ich Veranstaltungen in Nürnberg besuche.“ Ein regionales Sozialticket wäre für ihn die Lösung. Dadurch soll es auch finanziell schlecht gestellten Menschen erlaubt sein, mobil zu sein. Bestehende Hilfsangebote wie „Nürnberg- oder Fürth-Pass“ hält er für völlig unzureichend.

Mit dem „Nürnberg-Pass“ unterstützt die Stadt Nürnberg Menschen mit geringem Einkommen. Dieser berechtigt auch zum Erwerb eines Sozialtickets zum Preis von 30,80 Euro. Das Angebot soll von den geplanten Tariferhöhungen verschont bleiben. In den Augen der Kritiker ist das Sozialticket aber ohnehin zu teuer.

Der Hartz IV-Regelsatz sieht gerade einmal 17,78 Euro pro Monat für Nahverkehrs- und Bahnfahrten vor. Ein solches Ticket besitzen derzeit auch nur circa 5000 Berechtigte in Nürnberg. „Das ist leider eher wenig“, bestätigt Thorsten Brehm, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat und Experte für verkehrspolitische Fragen.

Wie in Zukunft mehr Menschen vom vergünstigten Ticket profitieren können, lässt Brehm derzeit in einer Studie erforschen. Für ihn sind die Preissteigerungen dennoch ein „notwendiges Übel“. Er verweist auf steigende Kosten und den Wegfall von Subventionen.

Auch in Fürth fallen zum Jahreswechsel die seit 1992 bestehenden Subventionen auf Fahrkarten weg. Das bedeutet konkret, dass die preiswerte Kurzstreckenfahrt nicht mehr für das gesamte Stadtgebiet, sondern nur noch bis zur übernächsten Haltestelle gilt.

Um die Auswirkungen auf sozialschwache Bürger abzumildern, wurde das „Fürther Bündnis für Mobilität“ ins Leben gerufen, das am 1. Januar 2012 offiziell starten wird. Ziel ist, einen „Mobilitätsbonus“ von fünf Euro im Monat für finanziell benachteiligte Bürger über einen Zeitraum von 15 Jahren zu zahlen. Der städtische Verkehrsbetrieb, die infra fürth verkehr gmbh, die Bürgerstiftung der Stadt und das Sozialreferat haben sich in einer bundesweit einmaligen Aktion zusammengeschlossen und 60000 Euro bereitgestellt.

„Inzwischen sind weitere 10000 Euro aus Spenden von Firmen und Einzelpersonen zusammen gekommen“, so Thomas Märtz, Vorsitzender der Bürgerstiftung Fürth. Weil aber auch dieser Betrag nicht ausreicht, um Bedürftigen auf viele Jahre hinaus die Mobilitätshilfe zu gewähren, appellieren die drei Gründer an hilfsbereite Unternehmen und Bürger der Stadt und der gesamten Region: „Wir suchen Sponsoren, die bereit sind, fünf Euro im Monat zu spenden.“

Klaus Dieregsweiler, Betriebsleiter der infra fürth verkehr gmbH, erzählt: „Momentan gibt es circa 10500 Bürger, die den Fürth-Pass erhalten könnten, aber nur wenige Hundert Bezieher.“ Er vermutet, dass die zusätzlichen Leistungen des Passes, wie zum Beispiel Vergünstigungen bei Theater- oder Museumsbesuchen, für Einkommensschwache nicht attraktiv sind. Dieser Meinung ist auch die Fürther Sozialreferentin Elisabeth Reichert: „Manchen Bedürftigen ist es unangenehm, Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Damit die Hemmschwelle sinkt, möchte Reichert den Erhalt der „Mobilitätstaler“ so unbürokratisch wie möglich gestalten.

Trotz aller sozialer Auswirkungen erachtet Dieregsweiler die Tariferhöhungen für notwendig und hofft auf den Dialog mit den Bürgern: „Wir verstecken uns nicht vor der Diskussion.“ Anfang Dezember wird es ein Informationsblatt für alle Fürther geben, in der Fragen nach den Hintergründen der Beschlüsse erklärt werden sollen.

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