Tanz der Tonträger

18.3.2016, 20:07 Uhr
Tanz der Tonträger

© Sebastian Authenrieth

Alle Töne sind Wellen mit bestimmten Frequenzen. Man kann sie messen und ihre Gesetzmäßigkeiten untersuchen. Aber ihr Wesen, ihre formende, gestalterische Kraft ist damit noch nicht erfasst. An dieses Experiment wagt sich Barbara Bess, die für das Konzept und die Choreografie der Produktion verantwortlich ist.

Und zwar indem sie ihre Protagonisten dazu bringt, ihre Körper als Instrumente zu benutzen. Da wird geschmatzt, gesummt, auf aufgeblasene Backen geklopft – sämtliche Glieder erforschen die Tänzer trommelnd.

Das Geheimnis der Klänge offenbart sich dem Auge, wenn man ihre Strukturen sichtbar macht. Und dafür sorgt in diesem ungewöhnlichen Stück der Tanz, die Bewegung. Susanna Curtis geht es mit ihrem Humor komödiantisch an, lässt ihre Haut musizieren. Bei Barbara Bess wird es ernster. Ihre Schritte sind meist gehetzt, sie rennt, flüchtet, kämpft.

Klänge bilden Formationen von ausgewogener Harmonie. Jeder Ton erzeugt ein ureigenes Muster. Das stellen die beiden Tänzerinnen dar, eckig, in Schlangenlinien oder im Karree springend. Hinzu kommt Sängerin Yara Linss, die ihrer Stimme alle Freiheit lässt. In einer furiosen Szene kommandiert sie mit ihrem Gesang, wie Barbara Bess sich bewegen soll, dann vertauschen sie die Rollen und Linss muss vertonen, was Bess vormacht. David Bloom illustriert, wie nichtig Worte oft sind, indem er zu einem Philosoph auf einer Drehscheibe mutiert und inhaltsleeres Zeug quatscht.

Uwe Weber gibt ergreifend einen gleichgültigen Mann, an dem sich Bess verzweifelt abarbeitet. Derweil wird Curtis wie eine komatöse Puppe herumgeschleppt und sorgt als Clown-Marionette für Lacher. Ein Bewegungschor von schwarz gekleideten Personen überquert immer wieder die Bühne, um zu kommentieren. Sie stellen die gesellschaftlichen Strukturen dar.

Der deutsche Physiker Ernst Chladni führte 1787 seine Klangfiguren in Paris vor. Er strich mit einem Geigenbogen Metallscheiben an, die mit Sand bestreut waren. So konnte er die Schwingungsvorgänge sichtbar machen. Auf der begrenzten Fläche der Platten entstanden stehende Wellen. Der Sand lagerte sich in den Wellentälern ab, von den Bergen, die mit maximaler Amplitude schwangen, wurde er weggefegt. Napoleon rief begeistert: Chladni lässt uns die Töne sehen.

Das gelingt auch Barbara Bess, selbst wenn es manchmal etwas zu viele Aktionen auf einmal sind.

Wieder am 23./24.3., 28./29.4. in der Tafelhalle, jeweils 20 Uhr.

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