Todesraser verurteilt: Drei Jahre und zehn Monate Haft

12.12.2014, 21:00 Uhr
Der 27-jährige Raser wurde am Freitag zu fast vier Jahren Haft verurteilt.

© Roland Fengler Der 27-jährige Raser wurde am Freitag zu fast vier Jahren Haft verurteilt.

Das Plädoyer des Nebenklagevertreters rührt sogar Prozessbeobachter zu Tränen. Rechtsanwalt Uwe Wirsching erzählt von der jungen Frau, die im Sommer kurz nach einem Einser-Abitur in Nürnberg ums Leben kam. "Sie war ein fröhlicher aufgeweckter Mensch und hatte viele Freunde", sagt Wirsching über die 18-Jährige. Und er mutmaßt, wenn sie an diesem Freitag im Amtsgericht Nürnberg gewesen wäre, hätte sie sogar womöglich Mitleid mit dem Angeklagten gehabt.

Der 27-Jährige hatte die Inline-Skaterin am 11. Juni angefahren und so schwer verletzt, das sie noch am Unfallort starb. Das Gericht verurteilt den Mann zu drei Jahren und zehn Monaten Haft. Außerdem darf er viereinhalb Jahre lang keinen Führerschein mehr haben.

Wirsching bezeichnet die knapp 300 PS starke Maschine, mit der der 27-Jährige die Große Straße auf und ab brauste, als "Kampfauto". "Das war kein Unfall, der passiert, wenn ein Autofahrer einmal kurz in Gedanken ist." Die 18-Jährige habe keine Chance gehabt. Auch der Staatsanwalt bezeichnet das Verhalten des Mannes als "rücksichtslos". "Es war ihm einfach egal, was passiert", sagt Ankläger Jan Skibelski. Er bezeichnet die Tat als "ganz besonders schweres Unrecht, das auch ganz besonders hart bestraft werden muss".

Die Große Straße - eine ehemalige Aufmarschstrecke der Nazis - wird immer wieder als Rennstrecke missbraucht. Doch erst nach dem Unfall reduziert die Stadt dort die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer und sorgt für weitere Sicherheitsmaßnahmen.

Zeuge spricht von "Wahnsinnsgeschwindigkeit"

Der Unfall ereignete sich an einem lauen Sommerabend in der Nähe des früheren NS-Reichsparteitagsgeländes. Viele Freizeitsportler und Spaziergänger waren in der Nähe unterwegs. Daher gab es auch viele Zeugen. Einer von ihnen schildert im Prozess, wie die 18-Jährige und ihre Schwester auf ihren Inlineskates langsam auf die Straße zu fahren. Sie rechnen nicht damit, dass an der Stelle, an der damals 50 Stundenkilometer erlaubt waren, ein Autofahrer mit weit über 100 Sachen daherkommt. Der Zeuge nennt die "Wahnsinnsgeschwindigkeit" des Autos "völlig überzogen". Der Angeklagte gibt im Prozess an, nicht auf die Geschwindigkeit geachtet zu haben.

Die 24 Jahre alte Schwester des Opfers erzählt, das Auto sei so schnell da gewesen, in der Zeit habe man kaum mit dem Finger schnippen können. Die 18-Jährige wurde durch den Aufprall etwa 70 Meter durch die Luft geschleudert. Sie habe nicht in die Richtung ihrer Schwester geschaut, weil sie diesen Anblick nicht in Erinnerung behalten wollte. "Mir war klar, was passiert ist." Während ihrer Aussage ist die blonde Frau noch sehr gefasst. Doch als der Sachverständige die Details des Unfall erläutert, fließen bei ihr die Tränen.

Die große Ausdehnung der Unfallstelle sei sehr untypisch gewesen, sagt der Gutachter. "In dieser Form habe ich innerorts so was noch nie erlebt." Sämtliche Diagramme, die er sonst für seine Berechnungen benutze, seien an ihre Grenzen gekommen, "weil solche Unfälle in der Regel nicht in diesen Geschwindigkeitsbereichen stattfinden". Er geht davon aus, dass das Auto bei der Kollision mindestens 129 Stundenkilometer fuhr, womöglich sogar 145. Eine Vollbremsung habe der Fahrer nicht gemacht. Wäre er mit Tempo 50 unterwegs gewesen, hätte er noch bremsen können.

"Es tut mir leid"

Bei dem 27-Jährigen wurde nach dem Unfall ein Alkoholwert von 1,49 Promille festgestellt. Die Kennzeichen hatte er von seinem anderen Auto an den Unfallwagen geschraubt. Denn das Fahrzeug war nicht zugelassen und nicht versichert. Als Hobby hatte er in einer Tiefgarage an ihm herumgeschraubt.

Der auch wegen Verkehrsdelikten und einer Gewalttat vorbestrafte Angeklagte mit den kurzen Haaren und Dreitagebart verfolgt den gesamten Prozess in sich zusammen gesunken. Den Kopf hält er die ganze Zeit gesenkt. Mehrmals versucht er, sich für seine Tat zu entschuldigen: "Es tut mir leid, dass ich so einen schrecklichen Unfall verursacht habe."

Die Tat sei nicht einfach ein tragischer Unfall gewesen, sondern ein schweres Vergehen, sagt Richter Siegfried Spliesgart. "Wenn ich mich betrunken in mein Auto setze und mit 129 Stundenkilometern über die Große Straße brettere, kann ich es nicht vermeiden, jemanden tot zu fahren." Der Verteidiger kündigt nach der Entscheidung an, in Berufung zu gehen. Nebenklägeranwalt Uwe Wirsching sagt, die Familie werde das Urteil akzeptieren. Sie sei nicht hergekommen, um Rache zu üben, sondern um den tragischen Unfall für sich aufzuarbeiten.

Anmerkung der Redaktion: Die in diesem Artikel veröffentlichten Fakten spiegeln den aktuellen Stand der Ermittlungen wider. In älteren Artikeln zu diesem Sachverhalt finden sich differenzierte Angaben, die den damaligen Fakten entsprochen haben.

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