Tödliche Messerattacke in Schwabach: Mann zu sieben Jahren Haft verurteilt

24.3.2021, 14:42 Uhr
Tödliche Messerattacke in Schwabach: Mann zu sieben Jahren Haft verurteilt

© Ralf Rödel, NN

"Ich vermisse die Frau ja selbst, es tut mir wirklich leid!" - am Ende der Beweisaufnahme und der Schlussvorträge greift der 63-jährige Mirko G. noch einmal zum Mikrofon, beteuert, dass er sich "wirklich entschuldigen" will.

Bereits zu Beginn der Hauptverhandlung hatte er versichert: "Ich bin selbst erschrocken, ich weiß, dass ich nicht so ein Mensch bin!"

Verhör als Video aufgezeichnet

Und doch hat Mirko G. (Name geändert) aus Schwabach ein Menschenleben auf dem Gewissen, die Richter der Schwurgerichtskammer verurteilen ihn als Totschläger, er muss eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren verbüßen, und er muss in eine Entziehungsanstalt.

Wie konnte es nur so weit kommen? In der Urteilsbegründung blickt Richterin Barbara Richter-Zeininger zurück auf jenen 19. Juli 2020, die Vorsitzende Richterin der 5. Strafkammer am Landgericht Nürnberg-Fürth schildert jenen Abend, dessen Ablauf in der Beweisaufnahme mit Hilfe von mehreren Zeugen wieder gegeben wurde.

Und dies nicht nur mit Hilfe von Erinnerungen. Hier wurde über ein Verbrechen verhandelt, dass im Gerichtssaal nicht nur rekonstruiert, sondern sehr real wurde:

Mirko G. war im Großformat auf zwei Bildschirmen zu sehen, während er von zwei Kriminalbeamten befragt wurde; das Verhör fand unmittelbar nach der Tat statt und war aufgezeichnet worden. Und während die Dokumentation mit seinem Geständnis - gleichzeitig behauptete er massive Erinnerungslücken - lief, war im echten Leben zu sehen, "wie erschüttert der 63-jährige Täter über sich selbst war, wie sehr er heute die Bluttat bereut", wie sein Strafverteidiger Philipp Schulz-Merkel in seinem Schlussvortrag anmerkte.

2,8 Promille Alkohol im Blut

Rückblick: Den Abend des19. Juli 2020 verbrachten der 63-Jährige und dessen Lebensgefährtin in der Laube des Gartens, die Nachbarin aus dem Erdgeschoss des Mietshauses kam hinzu, gegen 20 Uhr schloss sich eine weitere Nachbarin an. In der Gartenlaube wurde gewürfelt, der 63-Jährige trank einige Flaschen Bier und die Runde genoss Likör. Doch der Angeklagte ist alkoholsüchtig, und begnügte sich nicht mit den Getränken auf dem Tisch. Immer wieder ging er im Lauf des Abends in die Wohnung seiner Lebensgefährtin und trank den Rum, den sie sonst zum Backen verwendet. 2,8 Promille Alkohol, dies ergab die spätere Rückrechnung, hatte er zum Zeitpunkt der Tat im Blut.

Tödliche Messerattacke in Schwabach: Mann zu sieben Jahren Haft verurteilt

© Kay Nietfeld, dpa

Gegen 23.20 Uhr ging er hoch in den 1. Stock, teils krabbelte er auf allen vieren und klammerte sich an das Geländer. Er war längst massiv betrunken. Er wollte Eiswürfel holen, doch als er in der Küche der Wohnung stand, griff er nach einem Brotmesser. Die Nachbarin aus dem Erdgeschoss war zu diesem Zeitpunkt am Spieltisch in der Gartenlaube eingeschlafen, die anderen beiden Frauen weckten sie und stützten sie auf ihrem Weg zurück in ihre Wohnung.

Angreifer als Hirngespinst

Dem 63-Jährigen, er sah angeblich gerade vom 1. Stock aus dem Fenster nach unten in den Garten, riefen sie zu, er solle kommen und helfen. Doch Mirko G. schimpfte lauthals aus dem Fenster - und stieß Drohungen aus, adressiert an einen Mann, den es nicht gab. G. war, dies erläuterte Psychiater Michael Wörthmüller, durch einen plötzlichen aggressiven Impuls davon überzeugt, dass im Garten ein Angreifer mit einer Holzlatte oder einem Baseballschläger auf ihn wartete - ein Bekannter angeblich, der ihm schon einmal Prügel angedroht hatte. Ein Hirngespinst, dies räumte Mirko G. bereits in der Videovernehmung mit den Polizisten ein.

Und doch bewaffnete er sich mit dem Messer, trat, ohne eine Wort zu sagen, auf die Frauen im Erdgeschoss zu und stieß der hilflosen Nachbarin das Brotmesser in die rechte Brustseite. "Eine sinnlose Tat, ohne jeden Anlass", so Staatsanwalt Gregor Zaar.

Messerstecher alarmierte selbst die Polizei

Mirko G. erwischte ihr Herz, rammte ihr die 20 Zentimeter lange Klinge bis zum Griff in den Körper und zog sich in die Wohnung im ersten Stock zurück. Ursprünglich ging die Anklage von einem heimtückischen Mord aus und tatsächlich hatte die Frau nicht mit dem Angriff gerechnet. Doch Mirko G. wollte ihre Arg- und Wehrlosigkeit nicht ausnutzen, er wollte sie nicht einmal angreifen. In seiner paranoiden Wahrnehmung war er nicht mehr in der Lage, sich zu steuern. Er habe, so gab er zu Protokoll, nur einen "Stoff mit Blumen" gesehen.

Was er getan hatte, ahnte er, als er vom Erdgeschoss zurück in die Wohnung kehrte - er griff zum Telefon, alarmierte die Polizei und in diesem aufgezeichneten Notruf ist zu hören, "wie blitzartig ihm seine Tat bewusst wurde, man hört seine Verzweiflung", so Verteidiger Schulz-Merkel.

Die Polizisten, die Mirko G. an jenem Abend festnahmen, waren mit so genannten Bodycams ausgestattet. Und so war in dieser Hauptverhandlung auch zu sehen und zu hören, wie die Beamten in dem Mietshaus in der Friedrichstraße eintrafen, gezeigt wurde auch die Blutlache, in der die Geschädigte im Erdgeschoss lag. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Frau, eine zweifache Mutter bereits erwachsener Kinder, noch. Sie wurde in das Klinikum Schwabach eingeliefert, doch aufgrund ihrer schweren Verletzungen in das Nürnberger Südklinikum verlegt - dort starb sie in den frühen Morgenstunden.

In der Anklage war noch von Mord die Rede, doch in seinem Schlussvortrag sprach auch Staatsanwalt Gregor Zaar von Totschlag. Er forderte eine Freiheitsstrafe von neun Jahren. Verteidiger Philipp Schulz-Merkel hatte sechs Jahre Freiheitsstrafe beantragt.

Was das Urteil bedeutet? Mirko G. befindet sich seit der Tat in Untersuchungshaft. Nun muss er zwei Jahre vorweg in der Strafhaft verbüßen, anschließend wird er in eine Entzugsklinik eingewiesen.