Totengräberhaus braucht Erste Hilfe

19.12.2007, 00:00 Uhr
Totengräberhaus braucht Erste Hilfe

© Brock

Die Luft ist klamm und modrig. Immer wieder klopft jemand an der Türe in der größten Stube des Erdgeschosses: Es sind Kunden, die einen Blumenstrauß oder ein Gesteck von Friedhofspflegerin Hanna Kabuschat kaufen wollen. Sie meint, den Grund zu kennen, warum die Luft so feucht ist: «Hier unten wurde noch nie geheizt.» Nur in den oberen beiden Etagen hat es Öfen gegeben. Doch die waren zuletzt 1975 in Betrieb. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wohnten die Friedhofspfleger noch in dem allein stehenden Fachwerkhaus auf dem «Gottesacker» an der Bartholomäusstraße.

Die Nässe ist auch der Knackpunkt bei der Schadensanalyse. Ingenieur Stefan Wolfrum erklärt anhand von Plänen, dass die Statik in einem «sehr schlechten Zustand» sei, dass die permanente Feuchtigkeit den Decken- und Fachwerkbalken stark zugesetzt habe. «Das Dach sitzt auf der Fachwerkwand», erklärt er. Die schwere Last drücke auf das zum Teil vermoderte Holz und stelle ein enormes Risiko dar. Der Druck auf die Statik lasse sich innen sogar mit bloßem Auge erkennen, sagt Wolfrum und deutet auf die durchgebogenen Deckenbalken in der Stube.

Die Erläuterungen des Ingenieurs und die Information, dass Teile der Bausubstanz möglicherweise nachträglich mit einem giftigen Holzschutzmittel behandelt wurden, wertet Matthias Exner vom Landesamt für Denkmalpflege als eine «ausgesprochen unerfreuliche Bilanz». Der staatliche Oberkonservator sorgt sich vor allem um die «total geschä- digte Fachwerkkonstruktion». Einen Abriss des Bauwerks schließt er allerdings aus: «Der Friedhof und das Haus haben eine enorme historische Bedeutung für Nürnberg.» Ein Abbruch sei der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln. Das Ziel müsse der Erhalt des alten Totengräberhauses sein.

Warten auf Gelder

Doch wieviel der historischen Bausubstanz aus dem 16. Jahrhundert bleibt mit einer Sanierung erhalten? Bei 15 Bohrungen stießen Wolfrums Fachleute auf vier «komplett zerstörte» Originalbalken. «Nach unseren Untersuchungen bleiben etwa 70 Prozent der alten Substanz erhalten», sagt der Statiker. Er schätzt die Kosten bei einer Erneuerung der dringlichen Abschnitte wie Dachstuhl, Decken und Wände auf 93 000 Euro.

Die Schätzung bei einer Rundumsanierung liegt aber deutlich höher. Während Wolfrum darüber keine Aussage machen will, rechnet Stadtheimatpfleger Herbert May mit Gesamtkosten von rund einer halben Million Euro. Bei so einer Summe ist der Kirchenbauverein auf staatliche Unterstützung angewiesen.

Denkmalpfleger Exner bringt vor diesem Hintergrund finanzielle Hilfe aus dem sogenannten Entschädigungsfonds ins Spiel: «Der Fonds ist aber zurzeit derart überbucht, dass wir uns auf eine Wartefrist von zwei Jahren einstellen müssen.» Klar ist: Der Kirchenbauverein kann die Investition nicht vorfinanzieren, sondern muss warten, bis die staatliche Unterstützung fließt. Um bis dahin die Einsturzgefahr im Haus zu bannen, einigten sich die Beteiligten auf Notabstützungen, die so schnell wie möglich eingebaut werden sollen. (Siehe auch Bericht auf Seite 6)