Tränen und ein Kindheitstraum

7.11.2003, 00:00 Uhr
Tränen und ein Kindheitstraum

© Karlheinz Daut

Rainer Maria Rilkes „Panther“ hätte sie beinahe stolpern lassen. Gleich zu Anfang kommt Christin Strauber ins Stocken. Der Text ist weg, dafür schießen Tränen in die Augen. Dabei hat sie sich gerade noch so selbstsicher präsentiert. Der Kindheitstraum, Christkind zu werden, scheint ausgeträumt. „Das ist ja ein Desaster“, sagt Christin Strauber selbst, bevor sie die Jury bittet, noch einmal von vorn beginnen zu dürfen.

Die Jury: Presseamtschef Siegfried Zelnhefer, Marktamtschef Helmut Nordhardt, Marisa Sanchez, Christkind im Ruhestand, Vertreter des Theaters und der Nürnberger Medien. Sechs Kandidatinnen präsentieren sich ihnen im Rathaus. Sechs aus 57, die von der Bevölkerung bestimmt wurden. Die Mädchen tragen ein Gedicht vor und den Christkindlesmarkt-Prolog.

Fruchtbar nervös sind sie alle. Jede versucht das auf ihre Art zu kompensieren. Die eine hält sich am Stuhl fest, die andere nestelt an ihren Haaren. Kein Wunder, Kameras sind auf sie gerichtet und Mikrofone. Ein Vorgeschmack auf das, was das Christkind jetzt erwartet.

Christin Strauber irritiert das erst einmal wenig. Sie sei „wie jedes normale Mädchen“ in ihrem Alter, sagt sie locker, als sie sich vorstellt. Und zählt dann eine lange Liste von Vorlieben auf: Tennis, Ski, Snowboard, Basketball, Musik, Design und Architektur. Ja, dafür habe sie Zeit. „Für die Schule musste ich nie viel Zeit aufwenden. Bisher zumindest“, sagt sie lachend. Trotzdem engagiert sie sich auch dort. Als Schülersprecherin in der Wilhelm-Löhe-Schule.

Das Mädchen mit dem blonden Stufenschnitt antwortet spontan auf Juryfragen. Sie kennt sich aus in der Stadt und überzeugt mit Natürlichkeit. Nur als die Entscheidung bekannt gegeben wird, fehlen der gebürtigen Nürnbergerin kurz die Worte: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich wollte schon, seitdem ich das erste Mal auf dem Christkindlesmarkt war, Christkind werden.“ Wegen der Atmosphäre vor allem.

Mit dem „Panther“, den Christin Strauber erst am Vortag der Wahl gelernt hatte, weil ihr alle Freunde von einem bis dahin favorisierten Hermann Hesse-Gedicht abgeraten hatten („Das ist zu depressiv.“), ist das übrigens selbst bei der Wiederholung so eine Sache geblieben. Dafür punktete das neue Christkind in allen anderen Bereichen.