Lockerungen

Trotz Kälte: Viele Nürnberger zog es in die City

27.5.2021, 18:18 Uhr
Endlich wieder draußen sitzen: Uschi Fuß und Claudia Freiberg gönnen sich mit ihren Männern eine Kaffeepause im Freien.

© Michael Matejka, NNZ Endlich wieder draußen sitzen: Uschi Fuß und Claudia Freiberg gönnen sich mit ihren Männern eine Kaffeepause im Freien.

So ganz klappt es noch nicht mit dem gemeinsamen Kaffeetrinken in der Stadt. Aaron Sartin-Berthell wollte eigentlich mit einem Bekannten den ersten Cappuccino im Freien genießen, dass sie dafür einen Test brauchen, weil sie nicht aus einem Haushalt kommen, war den beiden Männern nicht bewusst. Doch abhalten lassen sie sich von diesen Regelungen nicht, kurzerhand nehmen sie an zwei verschiedenen Tischen Platz. "Ich genieße es sehr, dass man endlich wieder draußen sitzen kann", sagt Sartin-Berthell. "Es wird langsam Zeit."

Hauptsache raus

So wie er sehen es viele. Trotz kühler Temperaturen sind auf den Terrassen der Cafés relativ viele Tische besetzt, "Hauptdache raus" ist für viele die Devise, so auch für Uschi Fuß und Claudia Freiberg, die mit ihren beiden Männern gerade eine fünftägige Radtour gemacht haben. Fast täglich mussten sie sich testen lassen, "wenn man sich vorher informiert, ist das aber kein Problem". Jetzt freuen sich die Rheinländerinnen über eine Kaffeepause vor dem Eiscafé Buonissimo am Hauptmarkt, "die Stimmung ist gut".

Auch Monika Hauser hat gleich den ersten Tag der Lockerungen für einen Stadtbummel genutzt. "Das war mir ein Bedürfnis", sagt die 70-Jährige. "Obwohl es so bitterkalt ist, freue ich mich." Nur mit dem geplanten Einkauf von Strümpfen hat es noch nicht geklappt - der Rentnerin war die Schlange vor dem Modegeschäft zu lang.

In der Tat ist beim Einkaufen teilweise Geduld gefragt, vor allem vor einigen größeren Geschäften in der Karolinenstraße und der Breiten Gasse bilden sich immer wieder Schlangen, weil der Einlass begrenzt ist und die Kunden sich zuerst registrieren müssen. Viele schreckt das jedoch nicht ab, geduldig warten sie, bis sie an der Reihe sind. "Man nimmt mehr hin", sagt eine 28-jährige Nürnbergerin. "Die Schmerzgrenze ist auf jeden Fall gesunken."

Im Einzelhandel fällt die Bilanz an diesem ersten Öffnungstag dennoch durchwachsen aus. "Bei uns ist die Nachfrage noch nicht gestiegen", sagt Angela Jung, Mitarbeiterin des Betty-Barclay-Ladens am Weißen Turm. Die Öffnungen müssten sich wohl erst noch herum sprechen, vermutet die Verkäuferin. "Nächste Woche geht es dann bestimmt bergauf."

Bei Wöhrl am Weißen Turm ist man dagegen zufrieden. Die Nachfrage sei erheblich gestiegen, sagt Unternehmenssprecher Frank Elsner. "Schon gegen Mittag haben wir den Umsatz des Vortages erreicht." Offenbar habe die Testpflicht zuvor etliche Kunden abgehalten, "doch die Menschen wollen shoppen gehen".

Wandern und Klettern in der "Fränkischen" waren im monatelangen Lockdown für viele Nürnbergerinnen und Nürnberger die Hauptbeschäftigung in ihrer Freizeit. Trotzdem lief das Geschäft bei Eldorado Bergsport in der Schweiggerstraße in dieser Zeit äußerst verhalten. Abholung bestellter Ware kam für viele Kunden nicht in Frage. "Wander- und Kletterschuhe, Klettergurte und Bekleidung muss man anprobieren. Ein Fachgeschäft muss einfach offen sein", sagt Ladeninhaber Tobias Plail. In dieser Woche kamen schon einige Kunden, um ihre Ausrüstung aufzustocken - trotz Testpflicht. Seit diese weggefallen ist, sei das Interesse an Terminen deutlich gestiegen, berichtet er.

Ganz in Ruhe und mit exklusiver Beratung von Designerin Inge Klier kann man sich das passende T-Shirt, Kleid oder Sweatshirt im Ateliergeschäft "bambiboom" in der Glockendonstraße aussuchen. Weil der Showroom klein ist, kann nur eine Kundin oder ein Kunde den Laden in Gostenhof besuchen. Derzeit sind es häufig Stammkunden, die schon länger einen Termin ausgemacht haben und auch einen Test nicht scheuten. Jetzt hofft Klier, dass auch spontane Besucher an die Türe klopfen oder sich andere Kanäle anmelden.


Kleine und ausgefallene Läden: Einkaufsbummel in Gostenhof


Trotzdem bricht die Designerin, die individuelle Mode anbietet, nicht in Euphorie aus: "Jede Lockerung ist ein Schritt in Richtung Normalität und darüber freue ich mich sehr. Aber mal ganz ehrlich: würden Sie mit Terminvergabe ,unverbindlich‘ in einem kleinen Lädchen bummeln gehen?" Kleine Geschäfte lebten von Kunden, die einfach aus Lust und Laune vorbeischauen und sich spontan etwas Hübsches gönnen. So lange diese Leichtigkeit nicht in unseren Alltag zurückkehren kann, gehen wir Kleinen nach wie vor weitgehend leer aus", findet Klier.

Am Trödelmarkt bummeln nur wenige Tagesausflügler entlang der zum Teil immer noch geschlossenen Geschäfte. "Es wundert mich, dass nicht alle meine Nachbarn sofort wieder aufgemacht haben", erzählt Ursula Motsch. Auf die Wiedereröffnung ihrer "Spielzeugkiste" hat sie sich mit großer Freude vorbereitet, zur Feier des Tages frische Maiglöckchen aus dem eigenen Garten mitgebracht. Bislang ist es noch ruhig, doch die Unternehmerin ist sich sicher, dass es in den nächsten Tagen mehr Kundschaft gibt. "Ich denke, es braucht noch eine gewisse Zeit, bis sich das bei den Leuten in den Köpfen durchsetzt, dass man wieder darf", meint Motsch.


Inzidenz unter 100: Das sind die Regeln in Nürnberg


Viele Kunden sind ihr zufolge sehr verunsichert, welche Regeln denn nun gelten. Immer wieder muss sie Anrufer darüber aufklären, dass man nun sogar ohne Test ins Geschäft kommen kann. Ähnlich sieht es Barbara Münzel im schräg gegenüberliegenden Atelier Urban. "Die Testpflicht hat nicht alle Kunden abgehalten, aber einige", erklärt sie. Auch die mangelnde Laufkundschaft machte den Händlerinnen am Trödelmarkt zu schaffen. "Es hatten ja viele Nachbarn zu. Wenn aber nur zwei Läden am Platz offen sind, dann gehen die Leute viel schneller vorbei und drehen keine Schleife", erklärt Barbara Münzel.

"Ein Ort um sich hinzusetzen"

Für Ursula Motsch ist neben der Wiedereröffnung der benachbarten Läden vor allem auch die Öffnung der Außengastronomie eine große Erleichterung: "Gerade die ältere Kundschaft braucht zwischendurch einen Ort um sich hinzusetzen, sich auszuruhen, auf die Toilette zu gehen." Jetzt, da es diese Möglichkeit wieder gibt, glaubt sie, wird sich die Innenstadt wieder füllen.

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