Umschlagplatz Nürnberg: Geldwäscher vor Gericht

20.5.2018, 06:00 Uhr

Wie ein engmaschiges Spinnennetz mit filigranen Verbindungsfäden und dickeren Knotenpunkten sieht eine Grafik von der Ferne betrachtet aus, die ein Kriminalbeamter dem Gericht unter Vorsitz von Amtsrichterin Andra Lindner vorlegt aus. Bei genauerem Hinsehen zeigt das doppelseitige Schaubild ein Geflecht aus kleinen "Finanzagenten", bedeutenderen Statthaltern und den verborgenen Hintermännern, die unerkannt irgendwo in Osteuropa sitzen. In mühevoller Kleinarbeit, unter anderem durch Telefonüberwachung und Prüfung von Geldtransfers, hat die Nürnberger Kripo Licht in die kriminellen Machenschaften gebracht. "Wir haben beobachtet, dass in diesem kriminellen Umfeld eine Spezialisierung erfolgt", erklärt der Beamte.

Von Bekanntem unter Druck gesetzt

Der Mann, der den Behörden nun ins Netz gegangen ist, ist kein ganz kleiner Fisch - aber auch kein richtig dicker. Die Drahtzieher sind nach Einschätzung der Polizei Computerexperten, sogenannte Hacker. Unter anderem mittels Schadsoftware und unrechtmäßig erschlichener Tan-Nummern überweisen diese Kriminellen Geld von Konten auf Konten ihrer "Finanzagenten".

Diese "Agenten" stehen in der Hierarchie des kriminellen Netzwerkes ganz unten. Meist sind es Ausländer, die extra zu diesem Zweck nach Deutschland einreisen, sich hier beim Einwohnermeldeamt anmelden und dann ein Konto bei Geldinstituten vor Ort eröffnen. Sie heben die fälschlich überwiesenen Gelder ab, übergeben sie dann den Mittelsmännern vor Ort und verlassen umgehend das Land, sobald die Polizei ihnen auf den Fersen ist.

Geständnis für milde Strafe

Juri S. (Name geändert), hat sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft vom "Finanzagenten" zu einer Art Statthalter in Nürnberg hochgearbeitet. Er mietete Anfang 2016 eine Wohnung im Stadtteil Gostenhof an, in der drei "Finanzagenten" während ihres Einsatzes in Nürnberg hausten. Außerdem stellte er seinen Landsleuten Mobiltelefone zur Verfügung und organisierte die Geldübergaben für sie.

Das gab der 28-Jährige, der im November 2017 in Österreich festgenommen wurde und seitdem in Auslieferungs- und Untersuchungshaft saß, auch zu. Er sei eigentlich nach Deutschland gekommen, um auf dem Bau zu arbeiten, so der Lette. Dann habe ihm ein Bekannter, dem er Geld schuldete, Druck gemacht. Als "Finanzagent" und später als Mittelsmann habe er bei dem Hintermann seine Schulden abgearbeitet, so Juri S. Der Mann, ebenfalls ein Lette, sei aber mittlerweile verstorben.

Das Schöffengericht des Nürnberger Amtsgerichts verurteilte S. wegen Geldwäsche, versuchter Geldwäsche und Bildung einer kriminellen Vereinigung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Dem Urteil waren Rechtsgespräche und eine Verständigung vorausgegangen: Für ein Geständnis wurde dem Angeklagten eine milde Strafe in Aussicht gestellt.

Juri S. wurde noch am gleichen Tag auf freien Fuß gesetzt. Er kündigte an, sofort in seine Heimatstadt Riga zu reisen. Er müsse sich dort um seine erkrankte Großmutter kümmern, so der 28-Jährige.

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