Unternehmer für eine lebenswerte Welt

20.7.2020, 19:10 Uhr
Unternehmer für eine lebenswerte Welt

© Foto: EntrepreneursForFuture

Für die Mitinitiatorin und Textilunternehmerin Sina Trinkwalder aus Augsburg steht die "Dekarbonisierung der Wirtschaft" ganz oben auf der Agenda, also die Treibhausgasemissionen der Ökonomie letztlich auf Null zu senken. So sollen die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten werden. Daher sei die Unterstützung der streikenden Kinder und Jugendlichen von Fridays for Future besonders wichtig, findet Trinkwalder.

30 Firmen in Nürnberg

Mittlerweile haben sich über 4600 Unternehmer angeschlossen. In Nürnberg haben zirka 30 Unternehmen unterzeichnet, unter anderem die Evenord- und die UmweltBank, ReNatour und die Paessler AG. Sie alle haben sich dazu verpflichtet, dem Klimaschutz mit innovativen Produkten, Technologien, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen schneller auf die Sprünge zu helfen.

Virtueller Streik

Beim letzten globalen und virtuellen Klimastreik während des Corona-Lockdowns sprachen sich die Entrepreneurs For Future für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und die Umsetzung des Europäischen Green Deals für ein klimaschonendes Wirtschaften aus – trotz Pandemie. Mit dabei aus Nürnberg war Unternehmer Dirk Paessler, der die Softwareschmiede Paessler AG aufgebaut und bis Ende 2017 operativ geführt hat.

Die Begründung für sein Engagement fällt scheinbar lapidar aus: "Uns Unternehmern geht das alles zu langsam." Er denkt dabei beispielsweise an das politische Gezerre um die Abschaffung des "Solardeckels" im vergangenen Juni oder wie die Politik den Ausbau der Windkraft in Deutschland abgewürgt habe.

Unternehmer für eine lebenswerte Welt

Paessler, der mittlerweile über eine Familienstiftung die Mehrheit an den Aktien an seiner Softwarefirma hält, bezeichnet sich selbst als ein "langfristig denkender Mittelständler". Dafür benötige es auch eine stabile klimatische Situation. Deshalb müssten Unternehmer, die ernsthaft an die Zukunft denken, sich klare Regeln für eine carbon-neutrale Wirtschaft wünschen, erläutert Paessler.

Dazu gehöre eine planbare CO2-Emissions-Abgabe in der Größenordnung von 100 Euro je Tonne sowie etwa die Förderung von Carbon-Kreisläufen. Auf diese Weise hätte Deutschland "als Land der Ingenieure" die Chance, wieder eine besondere Rolle bei dieser Entwicklung einzunehmen.

Viele kleine und große Schritte

Für den Familienunternehmer ist in der Softwarewelt Ökologie und Ökonomie besonders gut vereinbar. Das Paessler-Firmengebäude im Nordostpark verwendet grünen Strom für Büro und Rechenzentren, und tut noch viele andere kleine und große Schritte, um sich immer mehr einem CO2-neutralen Geschäftsbetrieb zu nähern.

Die Emissionen bei Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gleicht die Firma beispielsweise schon seit Jahren aus. Weil ihm dieses Thema sehr am Herzen liegt, hat er zudem Anfang dieses Jahres die Fürther Firma Carbon Drawdown Initiative gegründet, die sich unter anderem an weiteren Klimafirmen beteiligt und Forschungsprojekte fördert, wie der Umwelt CO2 entzogen werden kann.

Umweltverträgliches Reisen

Auch das Nürnberger Reisebüro ReNatour will den Konflikt zwischen Wirtschaft und Umweltschutz auflösen. Bereits seit Mitte der 1990er Jahre setzt Firmenchef Roland Streicher auf ein "sozial- und umweltverträgliches Reiseprogramm". Dazu zählt bei ihm zum Beispiel, zu Reisezielen von unter 800 Kilometern Entfernung keine Flüge anzubieten. Bei weiteren Strecken liegt die Urlaubsdauer im Gegenzug bei mindestens einer Woche. Damit sei er zwar ein Nischenanbieter, aber mit rund 7000 Reisebuchungen "haben wir gezeigt, dass so ein Angebot funktioniert".

Initiativen wie Entrepreneurs for Future hält Streicher für sinnvoll, damit "ein Umdenken stattfindet". Er selbst hat das "Forum anders Reisen" mitbegründet, aus dem 2004 auch die Initiative "Atmosfair" hervorgegangen ist. Deshalb verteufelt Streicher Urlaubsflüge "als zweitbeste Lösung" nicht. Allerdings könnten Flugreisende mit freiwilligen Beiträgen Atmosfair-Klimaschutzprojekte finanzieren, durch die an anderer Stelle Treibhausgase eingespart werden können.

Unternehmer für eine lebenswerte Welt

Zuletzt hat sich Streicher auch an dem Aufruf "Nachhaltig zusammen" beteiligt. Mit dieser Initiative wollen sich die Entrepreneurs for Future aktuell in der Coronapandemie dafür stark machen, dass "Ökologie in der Wirtschaft" weiterhin wichtig bleibt, erklärt die Berliner Koordinatorin Katharina Reuter. Denn bei den Coronahilfen für Unternehmen seien "die Klimaimpulse nicht groß genug". Angesichts der wirtschaftlichen Krise befürchten die Mitstreiter außerdem, dass etwa das diskutierte Lieferkettengesetz für mehr soziale Nachhaltigkeit auf die lange Bank geschoben wird.

Krisenfestere Ausrichtung?

Gerade die Coronakrise ist für den fairen Nürnberger Textilunternehmer Bernd Hausmann mit seiner Firma Glore eine gute Gelegenheit, "neu nachzudenken". In dieser entschleunigten Zeit werde deutlich, dass sich auch in der globalen Textilbranche etwas ändern muss: "Fast Fashion (Schnelle Mode) muss weg." Immerhin scheint auch in Coronazeiten das Glore-Konzept aufzugehen: "Die Fast Fashion-Branche leidet mehr als wir", resümiert Hausmann. Trotzdem bezeichnet sich der Unternehmer als "Pessimist". Ist er doch in Sorge, dass jetzt die Firmen ohne Rücksicht ihr Geschäft wieder hochfahren wollen. "Dann kommen Ökonomie und Ökologie wieder unter die Räder."

Auch die Nürnberger Umweltbank zeigt Flagge beim Unternehmerverband UnternehmensGrün, bei Entrepreneurs for Future und "Nachhaltig zusammen". "Diese Plattformen geben nachhaltig orientierten Unternehmen eine Stimme und setzen sich für unser gemeinsames Ziel ein – eine lebenswerte Welt", betont Umweltbank-Referent Oliver Patzsch. Man wolle beweisen, dass wirtschaftlicher Erfolg im Einklang mit Mensch und Natur gelingen kann.

Gemeinsam appelliere man an die Politik, geeignete Rahmenbedingungen für die nachhaltige Transformation der Wirtschaft zu schaffen. Einer aktuellen Umfrage von UnternehmensGrün zufolge gibt es eindeutige Hinweise, "dass nachhaltige Unternehmen auch in der Coronakrise widerstandsfähiger sind".

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