"Urban Farming": Gewächshaus mit Abluft der U-Bahn beheizt

26.2.2019, 07:43 Uhr
25 Punkte im Stadtgebiet wurden für das "Urban Farming"-Projekt ausgekundschaftet - unter ihnen ist auch die U-Bahn-Station Plärrer.

© Alexander Pfaehler 25 Punkte im Stadtgebiet wurden für das "Urban Farming"-Projekt ausgekundschaftet - unter ihnen ist auch die U-Bahn-Station Plärrer.

Die Idee eines Wiener Künstlers hat das Nürnberger Mitmach-Labor "Urban Lab" inspiriert. Bis zum Herbst sollen alle Vorarbeiten abgeschlossen sein, im Winter 2019/2020 ist erste Pflanzsaison. Urban Lab will mit dem ungewöhnlichen Projekt einen Denkanstoß geben: Immer mehr Menschen leben in Städten. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen könnten es im Jahr 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung sein. Für die Nürnberger Impulsgeber macht es daher Sinn, sich über "urban farming", also Landwirtschaft in der Stadt ohne weite Transportwege, Gedanken zu machen.

Die Gruppe um den Biologen Ulrich Hirschmüller trifft sich mittwochs ab 18 Uhr im Z-Bau an der Frankenstraße, um die einzelnen Planungsschritte zu besprechen. Aktive Rentner, IT-Spezialisten, technische Tüftler und Naturwissenschaftler sind dabei. Auch Architekten des Büros für Bauform sind beteiligt.

Zunächst ging es um einen geeigneten Standort für das Gewächshaus. 25 Punkte wurden im Stadtgebiet ausgekundschaftet, zehn kamen in die engere Wahl. Ob das Glashaus am Plärrer, an der Bärenschanze, am Hauptbahnhof oder am Aufseßplatz zu stehen kommt, ist aber noch nicht entschieden.

Bei der Suche ist den Teilnehmern erst richtig aufgefallen, wie viele warme Abluftschächte es auch jenseits der U-Bahn gibt: bei Kaufhäusern, Fernwärme oder auch Tiefgaragen. Dieses energetische Potenzial ließe sich insgesamt besser nutzen, als es nur in die Umgebung zu blasen.

Schadstoffe fernhalten

Erste konkrete Tat: Ein Messgerät wurde zusammengebaut, mit dem man Windgeschwindigkeit, Temperatur und Niederschlagsmengen messen kann. Auch die Feinstaub-Konzentration soll berücksichtigt werden. Der Apparat kommt in den nächsten Monaten zum Einsatz.

Wie steht es mit Bremsenabrieb von vorbeifahrenden Autos oder von Schadstoffen, die eventuell aus dem Abluftschacht hochkommen? Sind hierfür Filter notwendig? Über diese Frage will sich Hirschmüller mit seiner Gruppe noch Gedanken machen. "Eine Studie eines Berliner Lehrstuhls zeigt, dass es erstaunlich einfach ist, Schadstoffe fernzuhalten", sagt der 29-Jährige, "manchmal genügt bei Straßen eine Abschirmung durch Rabatten oder ein Abstand von nur wenigen Metern."

Für den Biologen ist wichtig, dass sich auch ganz normale Passanten für das interessieren, was in dem Gewächshaus passiert. Schließlich sei ein Ansatzpunkt des Vorhabens, Bürgern die Selbstversorgung zu erleichtern und einen Raum für Experimente zu schaffen.

Stadt übernimmt Finanzierung

Welches Gemüse sie im November einpflanzt, hat die Gruppe noch nicht beschlossen. Kräuter sollen dabei sein, ob auch Nachtschattengewächse wie Tomaten dort reifen, ist offen. "Wenn jeder nur eine halbe Tomate ernten kann, lohnt es sich wohl eher nicht", meint Hirschmüller.

Einen ersten Erfolg kann der "öffentliche Pflanzennahverzehr" bereits jetzt schon für sich verbuchen. Im Rahmen der Kulturhauptstadt-Bewerbung für 2025 hatte Nürnberg zu einem sogenannten "open call" aufgerufen: Die Teilnehmer konnten künstlerische Projekte vorschlagen, über die dann im Internet abgestimmt wurde. Die Gewächshaus-Idee bekam die meiste Zustimmung, die Stadt übernimmt nun die Finanzierung von rund 5000 Euro.

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