VAG-Streiklokal: «Uns langt man in den Geldbeutel»

4.2.2009, 00:00 Uhr
VAG-Streiklokal: «Uns langt man in den Geldbeutel»

© Weigert

«Grad’ dass ich keine auf die Nase gekriegt hab’.« Sybille Scheffler hat von der Kundschaft am Vortrag des Streiks einiges zu hören bekommen im Führerstand ihrer Straßenbahn. Die VAG-Chauffeurin mit 19 Jahren Berufserfahrung hat die Wut mancher Fahrgäste geduldig ertragen. Heute aber knistert ein weißes ver.di-Streikhemd aus Plastik über ihrer Uniform. Ihre Geduld, das zeigt ihre Mimik deutlich, geht zu Ende. 9,5 Prozent mehr Gehalt sollen her.

Klogang ist nicht drin

Die Bedingungen im Schichtbetrieb, sagt die Fahrerin, seien richtig mies geworden in den letzten Jahren. Sybille Scheffler wird deutlich: «Du kannst nicht mal mehr anständig aufs Klo gehen zwischen zwei Touren.«

Es gibt belegte Brötchen und Automatenkaffee im Betriebshof Heinrich-Alfes-Straße. Immer wieder stellt einer das Radio lauter, wenn der Verkehrsfunk von den morgendlichen Staus auf den Straßen berichtet. Kein Wunder: Wo sonst in aller Herrgottsfrühe 36 Straßenbahnen quietschend ausrücken, bleiben die riesigen Hallentore zu. Endlich spürbar mehr Geld, das wollen sie alle, ob sie nun das Logo von ver.di oder das der Eisenbahnergewerkschaft GDL am Revers tragen.

Er habe einen Kollegen, sagt Frank Hechtel, gestandener Straßenbahner und GDL-Mitglied, der gehe mit 1200 Euro netto nach Hause und müsse drei Kinder ernähren. «Der kann doch gleich aufs Wolferla gehen.« Die Wohlfahrt ist gemeint, die längst Sozialhilfe heißt. Mit sieben Tagen Streik hätten sie 1992 den letzten vernünftigen Abschluss erreicht, heißt es. Fast sechs Prozent Gehaltserhöhung gab es damals.

Personalabbau

Damals - auch für Harald Nastvogel von der VAG-Werkstatt gleich ums Eck ist das ein Stichwort. 250 Kollegen hätten in den 80ern in Werkstatt und Verwaltung gearbeitet. 55 seien es heute noch. Vorbei die Zeiten, in denen jede Nürnberger Straßenbahn alle acht Jahre komplett zerlegt wurde, «bis sie nackert war«. Perfekte Wartung gebe es nicht mehr. Nastvogel beschreibt seinen Arbeitsdruck so: «Wir rumpeln bloß noch rum.«

Jürgen Rötzer, 21 Jahre bei der VAG, ist nicht der Einzige, der in dem überfüllten Raum mit einem bitteren Unterton immer wieder von überhöhten Managergehältern spricht. Ihnen dagegen streiche man das Urlaubsgeld von 325 Euro, kappe das Weihnachtsgeld um 20 Prozent, und allen älteren Kollegen habe man noch einmal 480 Euro jedes Jahr gestrichen. «Zweite Abschmelzphase« heißt diese Sparperiode intern. Was nach Klimakatastrophe klingt, übersetzen die VAGler so: «Da langt uns dauernd einer in den Geldbeutel.«

«Moderne Sklaverei«

Dass es noch schlechter geht, sei zurzeit auf der Linie 5 zu besichtigen, darauf weist Frank Hechtel hin und schüttelt den Kopf. Die Ersatzbusse, die wegen der Bauarbeiten monatelang zum Tiergarten fahren, lenken Leiharbeiter. «8,40 Euro brutto die Stunde, das ist moderne Sklaverei.«

27 Jahre hinterm Steuer hat Dieter Leikauf-Götz auf dem Buckel. Ein Familien- und Sozialleben, sagt er, könne man fast vergessen in dem Job. Und die Fahrgäste würden ständig aggressiver: «Die rufen bei jeder Kleinigkeit per Handy die Servicenummer an und beschweren sich.«