Väter wollen weiter mitreden

16.10.2019, 08:00 Uhr
Väter wollen weiter mitreden

© Silvia Marks/dpa

Denn das Leben von Mara und Anton (Namen der Betroffenen geändert) pendelt zwischen zwei Fixpunkten hin und her, die Geschwister wohnen im Wechsel eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim Vater.

Wechselmodell heißt das Konzept, das in vielen europäischen Ländern Standard ist, wenn sich Eltern trennen. In Deutschland dagegen dominiert das Residenzmodell, das heißt, die Kinder leben überwiegend bei einem Elternteil. Doch das könnte sich ändern, eine Arbeitsgruppe des Bundesjustizministeriums hat bereits Reformvorschläge entwickelt (siehe Interview). Vor allem Väter sind mit der derzeitigen Situation unzufrieden. Denn nach wie vor leben die meisten Kinder nach der Scheidung bei der Mutter. Bei Mara und Anton war das nicht anders. Markus T., der Vater, hatte zunächst vergeblich für das Wechselmodell gekämpft. Dass er im ersten Anlauf vor dem Familiengericht scheiterte, führt er auch auf eine entsprechende Stellungnahme des Jugendamtes zurück. "Mein Eindruck ist, dass 75 Prozent der Mitarbeiter der Ansicht sind, dass die Kinder zur Mutter gehören", sagt der 48-Jährige. "Nur ein Viertel schaut, was die Kinder wollen."

Ein Vorwurf, mit dem er nicht alleine ist. Auch Wolfgang B. hat den Eindruck, dass das Amt dem Residenzmodell den Vorzug gibt. "Bei Trennungen geht es fast immer gegen die Väter." Mit gravierenden Folgen, wie der 59-Jährige glaubt: Wenn die Kinder überwiegend bei der Mutter leben, drohe eine Entfremdung von den Vätern. "Ein Wochenende alle zwei Wochen ist einfach zu wenig." Das findet auch Markus T., der nach der ersten Niederlage von unerwarteter Seite Unterstützung bekam: Das Gericht hatte eine sozialpädagogische Familienhilfe eingesetzt, die nach ausführlichen Gesprächen mit beiden Elternteilen das Wechselmodell empfahl. Auch die Mutter stimmte der Regelung zu, wollte sich aber zu den Details nicht gegenüber der Redaktion äußern.

"Das ist ausgewogen"

Seit fast sechs Jahren ist das Pendeln zwischen Mama und Papa jetzt Alltag für Anton und Mara. Den beiden Kindern gefällt das gut. "Ich finde es besser, wenn man beide Elternteile hat", sagt Anton (12). "Das ist ausgewogen." Weil sie bei der Mutter mehr Platz haben, werden dort die Kindergeburtstage gefeiert; beim Vater dagegen freuen sich die beiden auf die gemeinsame Teestunde am Nachmittag und viele Ausflüge am Wochenende. Das Modell funktioniert, obwohl sich die Eltern im Streit getrennt haben und ihr Verhältnis immer noch schwierig ist. Bei der Kommunikation hilft ein Übergabebuch, in dem beide Elternteile festhalten, was sich während der Woche ereignet hat und was der jeweils andere zu beachten hat. "Die Kinder brauchen und lieben doch beide Elternteile", sagt Markus T.

Etliche Experten sehen das Wechselmodell dennoch kritisch. So zum Beispiel die Mediatorin Andrea Hörchner, die viele Familien durch den Trennungsprozess begleitet. Für die Kinder sei es belastend, keinen Lebensmittelpunkt zu haben, sagt Hörchner. "Dieses Hin- und Hergerissensein ist für viele totaler Stress." Manche Familien seien deshalb schon wieder von dem Konzept abgerückt. Doch egal, wie die Wohnsituation geregelt ist, am wichtigsten sei es, dass Eltern keine Machtspiele auf Kosten der Kinder austragen. "Damit richtet man wirklich Schaden an."

Genau aus diesem Grund hält auch das Jugendamt nichts von einem Wechselmodell als Regelfall. Grundvoraussetzung sei eine noch rudimentäre Verständigung zwischen den Eltern, so Amtsleiterin Kerstin Schröder. Schließlich müssten die Ex-Partner ja den Alltag gemeinsam organisieren. Das Amt stehe den Familien bei Bedarf beratend zur Seite, von einer grundsätzlichen Bevorzugung der Mütter könne keine Rede sein. "Wir fördern es an vielen Stellen, dass sich Mütter und Väter kümmern." Bei einer Trennung fühle sich immer jemand benachteiligt, ergänzt Corinna Amm, die gemeinsam mit Uwe Kronbeck den Allgemeinen Sozialdienst leitet. Manchmal sei das Wechselmodell eine gute Lösung, manchmal auch nicht. "Wir sind da vollkommen offen."

Jugendamt und Familiengericht kommen ohnehin nur bei den strittigen Fällen ins Spiel. Und dann versuchen beide Institutionen, die Interessen der Kinder zu ermitteln. "Es geht nicht um das Elternwohl, sondern um das Kindeswohl", sagt Justizsprecher Friedrich Weitner. Das Wechselmodell sei nicht das bessere Modell, "deshalb gibt es auch Fälle, in denen die Richter es ablehnen".

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