Verlagerung: Automatensprenger haben Franken im Visier

7.10.2019, 06:01 Uhr
Verlagerung: Automatensprenger haben Franken im Visier

© News5/Merzbach

In einem Fall konnte die Polizei die Täter auf ihrer halsbrecherischen Flucht in die Niederlande schnappen. Laut BKA wurden im vergangenen Jahr durch Geldautomatensprengungen rund 18 Millionen Euro Bargeld erbeutet. Der Sachschaden ist allerdings um ein Vielfaches höher.

Sie kommen nachts, wenn alles schläft. Ist die Luft rein, nähern sie sich dem vorher schon ausgespähten Zielobjekt: dem Geldautomaten im Vorraum einer Bank. Erforscht hatten die Täter zuvor auch die Verkehrsanbindung, Autobahnauffahrten müssen in der Nähe liegen, für eine rasche Flucht.

Männer rasen in Audi A6 davon

Nürnbergs Stadtteil Ziegelstein etwa liegt aus Tätersicht günstig. Am 28. Dezember 2018 um 4.45 Uhr gibt es dort in der Commerzbank-Filiale am Karl-Jatho-Weg einen Riesenknall. Rauch steigt auf, Teile des Wohnhauses, in dem sich die Zweigstelle befindet, werden beschädigt. Der Alarm geht los, Zeugen sehen zwei Männer in einen Audi A6 steigen und zum Bierweg rasen, in Richtung A3. Mehrere Streifen und ein Polizeihubschrauber setzen nach. Ohne Erfolg, die Täter entkommen.

Ein halbes Jahr später, am 24. Mai dieses Jahres gegen 4 Uhr, fliegt wieder ein Geldautomat der Commerzbank in die Luft. Diesmal in Fürth an der Erlanger Straße. Das Glück der Täter sollte sich diesmal allerdings nicht wiederholen: Nach einer spektakulären Verfolgungsjagd durch drei Bundesländer und über 300 Kilometer, bei der die Täter mit einem VW Tuareg mit teils mehr als 250 Kilometer pro Stunde gen Westen rasen, werden sie in Worms gestoppt und festgenommen.

"Verlagerung des Phänomens"

Es sind nur zwei Fälle beispielloser Sprengungen von Geldautomaten in der Region. Für Schlagzeilen sorgten in jüngerer Vergangenheit ähnliche Taten in Postbauer-Heng, Oberferrieden, Bayreuth, Strullendorf, Schlüsselfeld. Die Polizei in Franken und in ganz Bayern bekommt es zunehmend mit Straftaten zu tun, die bislang besonders in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz verübt worden sind. Verantwortlich dafür sind laut LKA in Nordrhein-Westfalen vor allem organisierte Banden, die zur Tatausführung aus den Niederlanden nach Deutschland kommen.

Auch die festgenommenen Männer, die in Fürth den Automaten geknackt hatten, waren auf dem Weg in die Niederlande. "Aufgrund von intensiven Sicherungsmaßnahmen der Geldautomaten in den Niederlanden erfolgte – beginnend im Jahr 2015 – eine Verlagerung des Phänomens der Geldautomatensprengung nach Deutschland", heißt es in der kriminalist, der Fachzeitschrift des Bund Deutscher Kriminalbeamter.

"Panzerknacker" brauchen nur drei Minuten für Ablauf

Aus dem Lagebild des Bundeskriminalamtes (BKA) geht hervor, dass es 2018 insgesamt 369 versuchte (232) und vollendete (137) Sprengungen gegeben hat. "Ein Vorgehen, welches sich die Täter zunehmend zu eigen machen. Wurden vor zehn Jahren nur 19 Sprengungen von Geldautomaten und 14 Versuche gezählt, stieg die Fallzahl nun auf einen Höchststan"“, heißt es im BKA. Um an die Beute zu gelangen, leiten die Täter ein Gasgemisch in den Automaten und zünden es mit einer Fernsteuerung.

Gelingt ihnen die Aktion, schnappen sie sich die Geldkassetten und verschwinden. Ermittler fanden heraus, dass die hochprofessionell agierenden "Panzerknacker" für den Ablauf lediglich drei bis fünf Minuten benötigen. Das Problem: Sie nehmen dabei und auf der halsbrecherischen Flucht die Gefährdung anderer in Kauf.

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