VGN: Tarif-Spagat zwischen Einfachheit und Gerechtigkeit

11.8.2014, 05:57 Uhr
Wer in Nürnberg und Umgebung unterwegs ist, zumal mit Kindern, braucht mehrere Streifenkarten.

© Horst Linke Wer in Nürnberg und Umgebung unterwegs ist, zumal mit Kindern, braucht mehrere Streifenkarten.

Wer in Nürnberg, Fürth und Stein unterwegs ist, braucht eine Karte des Stadttarifs A; wer sich mit Fürth begnügt, ist mit Z („Zwischenpreisstufe“) gut bedient. Über die Stadtgrenze hinaus sind, je nach Entfernung, entsprechend viele Abschnitte auf der Zehnerstreifenkarte abzustempeln.

Wer nur wenige Haltestellen mitfahren will, kommt mit der Kurzstreckenkarte aus - und all das gibt’s jeweils auch zum halben Preis für Kinder. Wer obendrein noch innerhalb von Orten in der Region wie Lauf, Dinkelsbühl oder Weißenburg unterwegs ist, hat womöglich auch für diese Städte noch eigene Tickets im Geldbeutel.

Etwas für Kenner ist auch folgende Spezialität: Wer beispielsweise von Neumarkt nach Roth fahren möchte - was mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur über Nürnberg möglich ist - benötigt dafür eine Fahrkarte der höchsten Stufe (zehn Zonen und mehr). Besorgt sich der Kunde, zum Beispiel im Vorhinein, an einem Nürnberger Automaten ein Tagesticket, kommt er mit Preisstufe 7 aus, denn von Nürnberg als Mittelpunkt aus erlaubt dieses Ticket Fahrten in alle Richtungen, jeweils bis zur Entfernung, die sieben Zonen entspricht

Zone 7

Von Neumarkt aus reicht die Zone 7 zwar bis Nürnberg (und in der anderen Richtung bis Parsberg), aber eben nicht bis Roth. Wer sich im Bekannten- und Kollegenkreis umhört, wird noch auf allerhand ähnliche Kuriositäten stoßen.

Freilich ist die Diskussion um die Komplexität und die Tücken des Tarifsystems so alt wie der 1987 eingerichtete Verkehrsverbund VGN selbst; neu entfacht hatte sie zuletzt die Einführung des eigenen Stadttarifs A in Nürnberg (mit Stein und Fürth) im Jahr 2012. Bis dahin entsprach jede Fahrt in diesen Städten zwei Zonen, also zwei Streifen auf der Zehnerkarte. Doch die damit erzielten Einnahmen waren zu gering.

Denn der Nürnberger Stadtrat hat den städtischen Zuschuss für die VAG gedeckelt - damit drohte ein immer größeres Finanzloch. Die VAG soll und muss heute drei Viertel der Kosten selbst erwirtschaften; in früheren Jahren hatte die Latte auch schon bei weniger als 70 Prozent gelegen. Die Folge: Über das Tarifsystem - über das alle Gesellschafter im VGN gemeinsam abstimmen - werden die Kunden stärker zur Kasse gebeten.

In der Praxis bedeutet das: Eine Fahrt mit der Fünferkarte im „Tarif A“ schlägt aktuell mit 2,38 Euro zu Buche - und bringt damit 28 Cent mehr ein als über zwei Streifen auf der Zehnerkarte. Diese Karte entsprechend zu verteuern, schied mit Rücksicht auf die Kunden in der Region aus. Und für jede Fahrt in Nürnberg, Fürth und Stein Preisstufe drei statt zwei zu verlangen, um im herkömmlichen System zu bleiben, schied ebenfalls aus - denn das hätte jede Fahrt auf satte 3,15 Euro getrieben.

Balance finden

Klaus Deschamps, Abteilungsleiter für Märkte und Absatz beim Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN), verweist indes noch auf weitere Faktoren und Zwänge: „Die Preisbildung ergibt sich einerseits aus den Preisen, wie sie sich an verschiedenen Orten politisch entwickelt haben und laufend fortgeschrieben wurden, zum anderen an Kostenvergleichen mit dem Auto und an Vergleichen mit den ÖPNV-Tarifen in anderen Regionen.“

„Die Schwierigkeit liegt darin, die richtige Balance zwischen Einfachheit und Gerechtigkeit zu finden“, meint Deschamps. Dabei geht es nicht allein um den Faktor Entfernung, sondern auch um die Häufigkeit und die Qualität des Angebots. Je gerechter es zugehen soll, desto differenzierter werde es. Dabei ist, nach Überzeugung der Tariffachleute, nur eine Minderheit der Fahrgäste tatsächlich mit x-verschiedenen Fahrscheinen unterwegs. Drei Viertel aller Fahrten erfolgen mit Zeitkarten (einschließlich MobiCard), Gelegenheitsfahrer nutzen zum größten Teil die bequemen Tagestickets. Und trotz der gewaltigen Pendlerströme entfallen 70 Prozent aller Fahrten auf Strecken innerhalb einer Stadt. Aus dem Verkauf von Mehrfahrtenkarten erzielt der Verkehrsverbund schließlich nur noch 6,5 Prozent aller Einnahmen.

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