Viele plagt die Angst vor dem Heim

6.10.2014, 07:59 Uhr
Viele plagt die Angst vor dem Heim

Der Andrang ist groß im Gemeindehaus der evangelischen Kirche St. Jobst. An diesem Abend präsentiert das Seniorennetzwerk St. Jobst/Erlenstegen die Ergebnisse der bisher größten Umfrage unter Menschen dieser Altersgruppe zu ihren Bedürfnissen und Sorgen.

Auf einem vierseitigen Fragebogen konnten sie anonym Auskunft geben über ihre Zufriedenheit mit der Nahversorgung und der Infrastruktur. Gefragt waren auch ihre Wünsche zu Beratung, Gesundheit und zum Leben im Alter im Allgemeinen.

Hoher Rücklauf

2000 Menschen hat das Seniorennetzwerk angeschrieben, das ist ziemlich genau die Hälfte der Leute über 60 Jahre in den beiden Stadtteilen. Geantwortet haben 660. „Das ist eine ungewöhnlich hohe Zahl, die das rege Interesse der Bürger an ihrem Stadtteil zeigt“, freut sich Anne Blawert vom Institut für Psychogerontologie, die den Fragebogen mitentwickelt hat. „So können wir sehr gut hochrechnen, was die Menschen hier bewegt.“

Das zeigt sich dann auch sehr deutlich. Mit Abstand an erster Stelle steht: die Angst vor dem Heim. „Viele Menschen wollen so lange wie möglich zu Hause wohnen“, berichtet Antje Keller, die Koordinatorin des Seniorennetzwerks. „Das hat uns nicht überrascht, denn das ist einer unserer Themenschwerpunkte seit der Gründung des Netzwerkes vor fünf Jahren.“

Gestaunt haben die Organisatoren aber über den zweiten Punkt auf der Liste: Probleme mit Computern. „Bei mir ist der PC ein Anschauungs-
objekt. Er steht rum und ich schau ihn an“, erzählt eine Frau stellvertretend für viele auf der Veranstaltung. „Meine Kinder sagen, ich soll die Finger davon lassen, damit ich nichts kaputt mache.“

„Viele Senioren wünschen sich, ihre Informationen wieder über klassische, nicht digitale Kanäle zu bekommen“, meint Seniorenstadtrat Christian Marguliés. „Oder natürlich eine qualifizierte Schulung am PC“.

Dafür werden an diesem Abend auch gleich die ersten Ideen gesponnen. Etwa eine Zusammenarbeit mit dem Senioren Computer Club Nürnberg oder mit der Erlenstegener Rudolf-Steiner-Schule, die sich ein Projekt vorstellen könnte, bei der die Schüler Senioren beim Einstieg in die Welt des PCs unterstützen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Infrastruktur: Gerade in Erlenstegen fehlen Geschäfte und auch die Verkehrsanbindung wird gerügt, besonders was die Zugangsmöglichkeiten von Rollator-Nutzern zur Straßenbahn angeht. „Das sind alles Themen, mit denen wir vom Bürgerverein uns schon lange beschäftigen“, seufzt Vorsitzende Annette Gröschner. „Manches davon werden wir vielleicht nicht mehr erleben, bei anderem passiert aber etwas.“ So sollen etwa die Straßenbahn-Haltestellen in den nächsten Jahren auf den neuesten Stand gebracht werden.

„Wir haben diese Umfrage ja nicht nur aus reiner Neugierde gestartet“, meint Antje Keller, „sondern damit wir wissen, wo wir in der nächsten Zeit beim Netzwerk unsere Themenschwerpunkte setzen sollen.“

Zusammen kochen

Neben Computerkursen und Besuchen in den sechs Senioreneinrichtungen in den Stadtteilen will man sich auch der ungewöhnlicheren Randthemen annehmen, welche die Umfrage zutage brachte: „Viele Senioren haben beispielsweise keine Lust, allein zu kochen und zu essen“, verrät Marguliés. „Da könnte ich mir eine Gruppe vorstellen, die zusammen preisgünstig kocht.“

Denn Geldsorgen gibt es auch in dieser relativ gut situierten Gegend: 18 Prozent machen sich Sorgen, dass sie sich in Zukunft ihr Leben nicht mehr leisten können. „Das mögen weniger sein als in anderen Stadtteilen — aber deswegen nehmen wir diese Menschen genauso ernst“, betont Marguliés.

Er kann sich auch vorstellen, den Fragebogen in überarbeiteter Form in anderen Stadtteilen einzusetzen, um so ein Bild der Wünsche der Senioren in ganz Nürnberg erstellen zu können.

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