Völlige Isolation: Helferkreise fordern Zutritt zu Flüchtlingsunterkünften

4.5.2020, 06:00 Uhr
Als Nebenwirkung der Corona-Pandemie sind viele Flüchtlinge in ihren Unterkünften komplett isoliert. Helferkreise fordern nun wieder Zutritt zu den Heimen.

© picture alliance / dpa Als Nebenwirkung der Corona-Pandemie sind viele Flüchtlinge in ihren Unterkünften komplett isoliert. Helferkreise fordern nun wieder Zutritt zu den Heimen.

Manche Familien ziehen sich in ein Schneckenhaus zurück. Die Vorhänge zugezogen, der Fernseher erhellt den Raum, den sich Eltern und Kinder teilen. Seit Wochen haben sie kaum mehr einen Schritt vor die Türe gesetzt. Raus, das bedeutet Gefahr. Zur Angst vor dem Virus kommt die vor Kontrollen, vor der Abschiebung. Polizeistreifen in den Parks? Lieber nicht hingehen, entscheiden die meisten.


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Die Nebenwirkungen der Corona-Krise bringen schon Mittelschichtsfamilien hart an ihre Grenzen. Für Menschen, die hier Zuflucht suchen, bedeuten sie totale Isolation, stellt Monika Hopp fest, die Referentin der evangelischen Jugend und Sprecherin der Politischen Arbeitsgemeinschaft Helferkreise Region Nürnberg (Pahn) ist. "Sie sind still und leise hinter den Mauern der Unterkünfte verschwunden", sagt sie. Ehrenamtlichen, so es sie überhaupt noch gibt, ist der Zutritt zu den Gemeinschaftsunterkünften seit Mitte März verwehrt.

An diesem Diktum wollen die Pahn-Aktiven jetzt rütteln und laut werden für die, denen keiner zuhört. Wichtigste Forderung: Helferinnen und Helfer müssten wieder in die Unterkünfte gehen dürfen, mit den Menschen sprechen, sie beruhigen und den Kindern Hilfe beim Lernen anbieten. Wo es derzeit ungenutzte Gemeinschaftsräume gibt, wäre das mit dem vorgeschriebenen Abstand machbar.



Monika Hopp: "Im Baumarkt geht’s doch auch." Was sich da zusammenbraut in den Flüchtlingsunterkünften skizziert Hopp so: Kinder würden aggressiv, begännen einzunässen und könnten von ihren traumatisierten Eltern nicht aufgefangen werden.

Flüchtlingskinder drohen völlig abgehängt zu werden

Äthiopier etwa, meist ohne sicheren Aufenthaltsstatus, wüssten genau, was eine Pandemie ist. Viele hätten Erfahrungen mit HIV und Ebola. Doch Masken und Desinfektionsmittel gebe es in den Häusern nicht, berichtet ein Ehrenamtlicher über Unterkünfte in der Welserstraße und am Kohlenhof. Gemeinschaftsküchen und -bäder erhöhten die Ansteckungsgefahr, von 320 Euro im Monat könne niemand teure Gesichtsmasken kaufen. Der Bayerische Flüchtlingsrat hat soeben vor allem Mehrbettzimmer kritisiert, in denen Alleinstehende untergebracht würden. Dies sei ein eklatanter Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz.


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Es müsse dringend entzerrt werden. Das digitale Schulangebot, so die ehemalige Pädagogin und Pahn- Mitstreiterin Traudl Morck, erreiche die Flüchtlinge nicht. Kein Laptop, kein Drucker, kein ausreichendes Internet, "wenn die Lehrerin schreibt, sie sollen sich diese und jene App herunterladen zum Lernen, hilft das gar nicht". Wie die Kinder ärmerer Familien drohten auch die Flüchtlingskinder durch die Krise völlig abgehängt zu werden. Die Forderung der Helferkreise lautet deshalb: besseres Wlan für alle, Aufnahme in die Kita-Notbetreuung und externe Hausaufgabenbetreuung. Dass die personelle Basis der Helferkreise dünner wird, ist Monika Hopp und den anderen Aktiven klar.

Der Anfangseuphorie des Jahrs 2015 sei stellenweise Resignation gewichen. Ehrenamtliche seien begrenzt belastbar, sagt Ise Jelden vom Helferkeis Solgerstraße. "Wenn die im Ausländeramt zum fünften Mal angepflaumt werden, wer sie eigentlich sind und was sie hier wollen, schmeißen die hin." Jelden, ebenfalls pensionierte Lehrerin, spricht von "wahnsinnig viel Demut", die hier notwendig sei. "Viele backen gerne einen Kuchen oder helfen den Kindern in Mathe. Aber mit zu den Behörden gehen? Da heißt es nein Danke."


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