Während der OP fiel der Strom aus

7.4.2010, 00:00 Uhr
Während der OP fiel der Strom aus

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Herr Dr. Wald, haben Sie die Kriminalität, von der man hierzulande oft spricht, am eigenen Leib erfahren?

Wald:
Gott sei Dank nicht. Wenn man ein paar Vorsichtsmaßnahmen beachtet, kommt man ganz gut zurecht. Im Krankenhaus hatte ich dagegen sehr viele Patienten mit Schussverletzungen und Stichwunden von Macheten. Etwa 30 Prozent der Patienten kamen mit solchen Verletzungen.

In welchem Teil des Landes haben Sie gearbeitet?

Wald:
Ich war im Ngwelezana Hospital, einem Distriktkrankenhaus in der Provinz Kwazulu-Natal. Dort werden hauptsächlich schwere Verkehrsunfälle behandelt, aber auch viele Schuss- und Stichverletzungen. Aufgrund des großen Einzugsgebietes müssen die Ambulanzpatienten teilweise rund 300 Kilometer zurücklegen, um sich untersuchen zu lassen. Sie kommen oft schon am Abend vorher an und übernachten auf der Wiese vor der Klinik. Meistens fahren mehrere Leute aus einem Dorf gemeinsam in hoffnungslos überladenen Kleinbussen, die übrigens ein Hauptgrund für die vielen Verkehrsunfälle sind. Anstelle der acht erlaubten Personen fahren nicht selten 15 Leute mit.

Was war die größte Herausforderung bei der Arbeit?

Wald:
Man brauchte viel Improvisationstalent. Im Operationssaal hatten wir alte OP-Tische, bei denen die Mechanik oft versagte. Manchmal mussten während der Operation Helfer kommen, um den OP-Tisch per Hand umzustellen. Es kam auch vor, dass während der OP der Strom ausfiel. Bis das Notstromaggregat ansprang, konnte es ein paar Minuten dauern und man musste mit einer Taschenlampe weiteroperieren. Die Klinik ist gut ausgestattet, allerdings funktioniert nicht alles in der Perfektion, die man von hier gewöhnt ist.

Wie haben Sie sich mit den Patienten verständigt?

Wald:
Die Menschen sprachen meistens kein Englisch, sondern nur Zulu. Die Krankenschwestern halfen beim Übersetzen. Das war jedoch manchmal wie »Stille Post»: Es musste von meinem Kopf in mein Englisch, dann ins Zulu und dann wieder zurück. Da konnte es schon vorkommen, dass die Antwort auf eine sehr komplexe Frage nur »ja» oder »nein» war. Damit musste ich zurechtkommen.

Was war Ihnen kulturell fremd?

Wald:
Viele Patienten suchen zuerst einen Heiler auf. Das ist eine Art Medizinmann auf dörflicher Ebene. Erst nachdem sie erfolglos bei mehreren Heilern waren, gehen sie in ein peripheres Krankenhaus. Dort gibt es in der Regel nur einen Gynäkologen, allenfalls noch einen allgemeinen Chirurgen. Wenn die mit der Verletzung nicht zurechtkommen, schicken sie die Patienten in ein zentrales Krankenhaus. Dadurch sahen wir viele Erkrankungen oder Verletzungen erst in einem sehr späten Stadium.

Welche Szenen sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Wald:
Eine der OP-Schwestern hat immer ein Lied gesungen, wenn der Patient aus der Narkose aufgewacht ist – und zwar in Zulu. Ich habe natürlich nie verstanden, um was es ging, aber es war immer das gleiche Lied und es hat sehr schön geklungen.

Und was denken Sie über die bevorstehende Fußball-WM?

Wald:
Die ist natürlich toll für das Land, und es hat sie auch verdient. Natürlich gibt es Probleme mit der Kriminalität und mit HIV - in der Provinz Kwazulu-Natal zum Beispiel sind 25 Prozent aller Erwachsenen HIV-positiv. Aber Südafrika hat auch viele schöne Seiten! Die Leute wollen ihr Land voranbringen und viele sind stolz auf die WM. Sicher ist jetzt die Vorfreude schon ganz groß.