Warnstreik im Nahverkehr: Das Chaos bleibt aus

26.10.2020, 11:15 Uhr
Kein Bus wird kommen... und auch keine Straßenbahn. Wegen des Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr mussten in Nürnberg Pendler auf alternative Verkehrsmittel ausweichen. 

© NEWS5 / Bauernfeind, NEWS5 Kein Bus wird kommen... und auch keine Straßenbahn. Wegen des Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr mussten in Nürnberg Pendler auf alternative Verkehrsmittel ausweichen. 

Es ist noch fast dunkel, ganz langsam dämmert der Morgen über herbstlichen Wald am Valznerweiher. Auf einem Wanderparkplatz hebt ein Mann sein Fahrrad vom Heckträger seines Autos, befestigt seine Tasche auf dem Gepäckträger, streift Handschuhe über und zurrt einen Helm unter dem Kinn fest. "Haben Sie für den Streik auch alternative Verkehrsmittel gewählt?", fragt die Reporterin, die mit dem Rad in die Nürnberger Innenstadt fährt. "Ja", sagt der Mann. Normalerweise nehme er Bus und U-Bahn zur Arbeit. Wegen des Streiks setze er auf die Auto-Fahrrad-Kombination. "Da kann ich relativ sicher sein, dass ich pünktlich ankomme."

Dass ihr Sohn pünktlich zum Unterrichtsbeginn in einem Gymnasium im Nürnberger Land ankommt, ist auch Elke Rupprecht aus dem Nürnberger Stadtteil Fischbach wichtig. Normalerweise lehnt die Mutter "Elterntaxis" ab. "Die Kinder haben ja VGN-Tickets, da kommen sie überall gut hin." An den Streiktagen macht sie aber eine Ausnahme. Mit Nachbarn hat sie Fahrgemeinschaften für den Bring- und Holdienst organisiert. "Es fahren immer Kinder zusammen, die nah beieinander wohnen. Das läuft problemlos", sagt sie. Auf dem Weg zum Land-Gymnasium haben die Schüler und Eltern aus den Vororten auch nicht mit Staus zu kämpfen.

Diese gibt es derweil unter anderem auf den großen Einfallsstraßen und auf dem Ring. Hier schiebt sich deutlich mehr Verkehr als sonst in Richtung Stadtkern. Mit dem Fahrrad geht es schneller voran.

Auf zwei Rädern ist der Hauptbahnhof rasch erreicht. Von den Gleisen strömen gegen 7.30 Uhr viele Pendler zielstrebig in die Bahnhofshallen und durch die ebenerdigen Ausgänge oder die Königstorpassage wieder hinaus.

Einen Kaffee-Becher in der einen, ein Handy in der anderen Hand jonglierend bahnt sich auch Stefanie Beck ihren Weg durch die Menschen. Die 23-Jährige wohnt im Landkreis Fürth und ist ohne Zwischenfälle und Verspätung mit der Regionalbahn nach Nürnberg gefahren. Den weiteren Weg zu ihrem Arbeitsplatz, eine Arztpraxis in der Sulzbacher Straße, geht sie zu Fuß. "Ist doch ein schönes Work-out und es regnet ja zum Glück noch nicht", sagt Beck mit einem Grinsen im Gesicht. "Für den Heimweg", fügt sie hinzu und zeigt auf einen Schirm, den sie außen an ihrem Rucksack befestigt hat, "bin ich ja gut ausgestattet".

Für die Fahrer und ihren Streik hat die junge Frau Verständnis: "Sie gehören ja nicht zu den Großverdienern und haben eine Gehaltserhöhung verdient", findet die 23-Jährige. Da die Streiks vorher angekündigt wurden, habe man sich darauf einstellen können. Ihr Freund und zahlreiche Bekannte, die Bürojobs haben, würden am Streiktag im Home-Office arbeiten, erzählt sie. "Man muss sich halt etwas arrangieren", sagt sie.

Wenig Verständnis hat ein Mann, der am Taxistand vor dem Bahnhof wartet und der seinen Namen nicht nennen möchte. "Ich finde Streiks zu einer Zeit, in der die Corona-Ampel auf Rot steht, absolut verantwortungslos", schimpft er. Zwar gönne er den Bus- und Bahnfahrern mehr Gehalt. Die ÖPNV -Mitarbeiter hätten sich mit ihren Arbeitskampfmaßnahmen auch noch Zeit lassen können, bis sich die Pandemie-Lage etwas entspannt, so der Passant.

Auf ein kleines Plus im Geldbeutel hofft an diesem Tag auch Taxifahrer Niyazi Ürge. Die Fahrdienstleister traf die Corona-Pandemie und die damit verbundene Absage von Messen, Kongressen und anderen Veranstaltungen hart. Seit fünf Uhr morgens ist Ürge unterwegs, sein Fahrzeug ist an diesem Tag immer gefragt. "Es sind hauptsächlich Schüler, aber auch Berufstätige, die einsteigen", sagt der Mann, der seit 25 Jahren in Nürnberg Taxi fährt. Die Nachfrage sei nicht das Problem, sagt er und zeigt auf die Schlange, die sich am Taxistadt vor dem Bahnhof gebildet hat. "Es ist der Verkehr. Man kommt nicht gut voran", so Ürge. Trotzdem will er bis in den Nachmittag weiterfahren.


Alle Entwicklungen zu Streik in unserem Live-Ticker


Vielleicht steigen Doreen und Klaus Walter bei ihm zu. Die Eheleute aus Pirna wollen von Nürnberg aus nach Rhodos fliegen und sind mit dem Zug angereist. Vom Streik haben sie nichts mitbekommen. Jetzt stehen sie etwas ratlos vor dem mit einem Gitter verschlossenen U-Bahn-Abgang zur U2. Ein Passant erklärt ihnen die Situation und den Weg zum Taxi-Stand. "Na, zum Glück haben wir genug Zeitpuffer eingeplant. Wir werden den Flieger schon noch kriegen, sagt Klaus Walter und zieht mit Rollkoffer und Ehefrau in Richtung Rolltreppe.

4 Kommentare