Warnstreiks im Nahverkehr: Das große Chaos bleibt aus

9.10.2020, 11:24 Uhr
Die Straßenbahnen bleiben am Freitag bis mittags im Depot - in Nürnberg fährt bis 14 Uhr kein öffentlicher Nahverkehr. 

© News5/Bauernfeind Die Straßenbahnen bleiben am Freitag bis mittags im Depot - in Nürnberg fährt bis 14 Uhr kein öffentlicher Nahverkehr. 

Hauptbahnhof, 7.30 Uhr: Ratlos steht die 17-Jährige im Verteilergeschoss vorm versperrten U-Bahn-Zugang. "Ich wusste ja, dass heute gestreikt wird, aber ich dachte die U2 fährt schon noch ab und zu", sagt sie. Wie sie jetzt zur Schule nach Schoppershof kommt? "Keine Ahnung". Ein Pendler aus Postbauer-Heng zeigt sich ebenfalls überrascht: "Wird heute etwa wieder gestreikt?".

Sie sind nicht die einzigen. Am DB-Info-Stand stehen die Leute Schlange - mit Abstand und Maske. Sie haben alle die gleiche Frage: Ob gestreikt wird und wie sie weiter kommen. "Das geht schon seit 6 Uhr heute so", erzählt eine DB-Mitarbeiterin. Die Stimmung? "Nicht so gut."

Viele Fußgänger, entspannte Lehrer

Andere, die nicht so einen weiten Weg haben, zeigen sich entspannt: "Mich interessiert der Streik nicht", sagt ein Oberpfälzer, der vom Bahnhof wie sonst auch seinen Weg zu Fuß zur Arbeit fortsetzt.

Eine Pendlerin, die normalerweise mit der U-Bahn fährt, läuft heute ab Hauptbahnhof zur Arbeit. "Ein 25-minütiger Fußweg ist machbar - und erfrischend", sagt die 56-Jährige lächelnd. Ein Tag sei doch kein Problem, "wenn man vorher Bescheid weiß und sich darauf einstellen kann". Viele ihrer Arbeitskollegen machen heute Homeoffice. Sie findet es in Ordnung, für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen zu streiken.

Fünf Schüler sind auf dem Weg zum Neuen Gymnasium am Hauptbahnhof gestrandet: "Wir haben die S-Bahn verpasst", berichtet Lilien. "Normalerweise fahren wir mit der Straßenbahn." Dass sie heute zu spät kommen, sei kein Problem. "Die Lehrer haben Verständnis, Mitschüler, die einen weiten Weg haben, müssen heute gar nicht kommen."

Komplette Taxi-Flotte im Einsatz

Am Taxistand ist weniger los als beim letzten Warnstreik. Zwei Fahrzeuge warten, aber nicht lange. Es steigen immer wieder Leute ein, aber es bildet sich diesmal keine Menschenschlange in der Früh. "Coronabedingt ist natürlich jeder Streiktag ein guter Tag", kommentiert Christian Linz, Vorstand der Taxi-Zentrale Nürnberg.

Denn im Zuge der Pandemie sei das Taxi-Geschäft stark eingebrochen. Seitdem ist im täglichen Wechsel stets nur die halbe Flotte im Einsatz. Heute sind jedoch sind alle Fahrer unterwegs. Linz: "Das Gewerbe tut, was es kann, um den Fahrgästen zu helfen." In Zusammenarbeit mit Radio verschenkt die Nürnberger Taxi-Zentrale am Streiktag 50 Freifahrten.

"Ein Auto ist keine Alternative"

Viele Fahrräder, viele E-Scooter und jede Menge Autos: Kerstin Althaus hat gestern Abend noch rasch ihr Fahrrad repariert. „Ich wollte beim Streik auf keinen Fall mit dem Auto unterwegs sein müssen. Ein Auto ist keine Alternative, da die Straßen viel zu voll sind“, erzählt die Nürnbergerin.

Die 35-jährige zeigt sich solidarisch mit den VAG-Mitarbeitern. Es sei richtig, für einen angemessenen Lohn auf die Straße zu gehen. „Aber es drängt sich die Frage auf, ob man in einer Zeit, in der es der Wirtschaft coronabedingt nicht gut geht, wirklich streiken muss."

Diesmal kein Notbetrieb

Es ist bereits der zweite Warnstreik innerhalb von zwei Wochen. Diesmal verzichtete die VAG auf einen Notfahrplan und den Einsatz von Bussen. "Unsere Fahrzeuge standen massiv im Stau, wir hatten quasi keine planmäßige Abfahrt im ganzen Netz", berichtet VAG-Pressereferentin Stefanie Dürrbeck. So haben etwa in Spitzenzeiten die Busse für die Strecke vom Plärrer zum Hauptbahnhof über eine Stunde gebraucht.

Ab 14 Uhr sollen die Busse, Straßen- und U-Bahnen wieder fahren. Alle Linien werden bedient - mit Einschränkungen. Denn ab diesen Zeitpunkt verlässt ein Fahrzeug nach dem anderen das Depot, "aber da wir die Verkehrslage nicht vorhersehen können, kann und wird es bis in den Nachmittag hinein zu Unregelmäßigkeiten kommen", informiert die Pressereferentin. Und so könne es eine Zeit lang dauern, bis alle Fahrzeuge wieder planmäßig unterwegs sind. Dürrbeck: "Ich denke, dass die U-Bahnen als erstes wieder funktionieren." Mittlerweile fahren alle Busse, Straßen- und U-Bahnen seit 14 Uhr wieder. Es kommt dennoch bis in die Nachmittagsstunden zu Verzögerungen, da ab diesem Zeitpunkt die Fahrzeuge nach und nach das Depot verlassen. Vor allem sei der Busverkehr davon betroffen.

Unser Live-Ticker zum Nachlesen:

4 Kommentare