Wegen Corona: Mehr Arbeit für die Bahnhofsmission in Nürnberg

11.5.2021, 05:57 Uhr
Die Not ist in der Pandemie bei vielen groß - das merkt auch Anita Dorsch, Leiterin der Bahnhofsmission Nürnberg.

© Michael Matejka, NNZ Die Not ist in der Pandemie bei vielen groß - das merkt auch Anita Dorsch, Leiterin der Bahnhofsmission Nürnberg.

Hilfe, Rat und Beistand für Reisende oder Menschen in Notlagen: Das gibt es bei der Bahnhofsmission Nürnberg im Untergeschoss des Hauptbahnhofs. Träger der ökumenischen Einrichtung sind die evangelische Stadtmission und "IN VIA" Nürnberg, der katholische Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit. Die Pandemie hat die Arbeit stark eingeschränkt, doch Leiterin Anita Dorsch und ihr Team nehmen es, wie es kommt.

Niedrigschwellig arbeiten, das macht die Bahnhofsmission aus: "Jeder kann zu uns kommen." Schnell und unbürokratisch helfen, das ist in Zeiten von Corona allerdings nicht mehr so leicht. Abstandsregeln, Plexiglasscheiben und Sicherheitsvorkehrungen prägen die Arbeit. Die ehrenamtlichen Helfer bieten zwar immer noch eine Umstiegshilfe etwa für Senioren und Menschen mit Behinderung am Bahnhof an. Eine mobile Reisebegleitung ist derzeit aber nicht möglich: Diesen kostenlosen Service haben vor Corona etwa Kinder genutzt, die nach der Trennung der Eltern allein im Nahverkehr zu Mama oder Papa unterwegs gewesen sind.


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Ein Aufenthalt in der Bahnhofsmission selbst ist wegen Corona nicht erlaubt. Belegte Brote und heiße Getränke werden über die Tür ausgegeben. Genau so, zwischen Tür und Angel, informiert das Team auch über Notschlafstellen oder andere Hilfsmöglichkeiten. Im Zuge von pandemiebedingten kürzeren Öffnungszeiten und Sicherheitsvorgaben kamen im Corona-Jahr lediglich 13.700 Menschen in die Nürnberger Einrichtung - 2019 hatte man noch 18.000 Hilfesuchende registriert. Gleichzeitig sind es immer mehr Menschen, die konkrete Hilfe brauchen: So wurde im Jahr 2019 noch in 6000 Fällen eine kleine Brotzeit oder Bekleidung ausgegeben - dies stieg im Corona-Jahr 2020 auf 8500 Fälle.

"Die Not war deutlich spürbar"

Diese Entwicklung kennen auch die anderen bayerischen Bahnhofsmissionen: So ist im Freistaat die Ausgabe von materiellen Hilfen von knapp 43.000 im Jahr 2019 auf 53.000 im Jahr 2020 gestiegen, gleichzeitig ist die Zahl der Kontakte um knapp 20 Prozent gesunken. Dazu sagt Hedwig Gappa-Langer von der Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen Bahnhofsmissionen in Bayern: "Die Not war deutlich spürbar und ist es immer noch."

Alle 13 bayerischen Bahnhofsmissionen haben 2020 in insgesamt 539.000 Fällen Hilfe geleistet. Hedwig Gappa-Langer bedauert, dass Corona die Arbeit so stark prägt: "Das Wichtigste ist eigentlich der Austausch, ein offenes Ohr zu haben und für die Menschen da zu sein. Hinter Plexiglasscheiben und Masken ist das sehr schwierig."

So sieht es auch Anita Dorsch: "Es ist gerade schwierig, mit den Menschen Gespräche zu führen." Die Sicherheitsmaßnahmen trägt sie aber voll und ganz mit - schließlich weiß sie, wie gefährlich COVID-19 ist. Denn die Pandemie hat die Nürnberger Einrichtung an Weihnachten 2020 getroffen. Anita Dorsch, ihre Stellvertreterin und eine Ehrenamtliche erkrankten - die Bahnhofsmission musste aus Personalnot kurzzeitig schließen.

Die 57-Jährige fühlte sich an den Weihnachtsfeiertagen ziemlich elend. "Mich hatte es schlimm erwischt. Ich wurde schwächer und schwächer." Das Atmen fiel immer schwerer, alltägliche Bewegungen wurden zur Belastungsprobe: "Ich habe die Zähne geputzt und war davon außer Atem." Der Kampf um Luft bestimmte ihr Leben - schließlich kam Anita Dorsch ins Krankenhaus und bekam Sauerstoff zugeführt. "Irgendwann hatte ich das Gefühl: Ich überlebe das nicht."

Nach drei Monaten war Corona überstanden - Anita Dorsch ist glücklich, dass sie genesen ist. Aktuell wartet sie auf einen Reha-Platz. Ihre eigene heftige Erkrankung hat sie geprägt: "Man kriegt eine andere Einstellung zu dem Thema. Wenn Menschen im Gespräch Corona als harmlos abtun, dann berichte ich ihnen von meinen Erfahrungen." Dennoch ist es natürlich bitter, dass die Arbeit so sehr unter der Pandemie leidet. Die Bahnhofsmission in Nürnberg hat eigentlich um die 40 freiwillige Helfer - doch so mancher bleibt aus Angst um die eigene Gesundheit daheim. Derzeit arbeiten knapp 20 Ehrenamtliche mit.

"Tolle Atmosphäre"

Weitermachen, nicht unterkriegen lassen - so lautet derzeit die Devise. Anita Dorsch schätzt die "tolle Atmosphäre" in der Einrichtung. "Es ist spannend, weil so viele verschiedene Menschen zu uns kommen." Die Bahnhofsmission ist da für Reisende und Obdachlose, für Kinder und Senioren, für Hungrige und Verzweifelte. Und die Bahnhofsmission ist da für Menschen, die niemals damit gerechnet hätten, dort um Hilfe bitten zu müssen. Wie etwa die alte Frau, der im Hauptbahnhof plötzlich der Stützstrumpf vom Bein rutschte und die sich nicht selbst helfen konnte. In ihrer Not ging sie in die Bahnhofsmission. Dort half man ihr, den Strumpf wieder anzuziehen. Die Seniorin weinte bittere Tränen - kein Mensch im Bahnhof hatte ihr Problem bemerkt.

Die Bahnhofsmission im Hauptbahnhof (Mittelhalle/Untergeschoss) ist täglich von 10 bis 14 Uhr geöffnet. Spenden an Bahnhofmission Nürnberg unter IBAN DE89 5206 0410 0002 5020 70.

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