Keine Ruhe trotz Doppelspitze

Weiter Wirbel: Muss Nürnberger Amtsärztin nach Datenpannen gehen?

10.7.2021, 05:47 Uhr
Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König und Gesundheitsreferentin Britta Walthelm (hier im Impfzentrum im früheren City-Point an der Pfannenschmiedsgasse) wollen eine neue Struktur im Gesundheitsamt installieren. Doch das stößt auf Widerstände. 

© Michael Matejka, NN Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König und Gesundheitsreferentin Britta Walthelm (hier im Impfzentrum im früheren City-Point an der Pfannenschmiedsgasse) wollen eine neue Struktur im Gesundheitsamt installieren. Doch das stößt auf Widerstände. 

Eigentlich sollte das städtische Gesundheitsamt nach Pannen beim Corona-Management nun mit einer Doppelspitze wieder in ruhigeres Fahrwasser gleiten. Doch hinter den Kulissen gärt es gewaltig. Der Umgang mit der bisherigen Amtsleiterin Dr. Katja Günther sorgt für große Verunsicherung in der Belegschaft. Noch ist unklar, ob Günther überhaupt bleibt. Wirft sie das Handtuch, tun sich neue Probleme auf.

Derzeit stellt die erst seit Mai 2020 amtierende Umwelt- und Gesundheitsreferentin Britta Walthelm (Grüne) ihr Haus im Gesundheitsbereich neu auf. Nach mehrmaligen Fehlern bei der Datenübermittlung von registrierten Corona-Infektionen an das RKI war auch die neue Referentin in die Kritik geraten.

Im Fokus stand das Gesundheitsamt. Im Mai schließlich hatte Oberbürgermeister Marcus König (CSU) die Angelegenheit zur Chefsache erklärt und personelle Veränderungen angekündigt.

Dr. Katja Günther ist seit 30 Jahren im Gesundheitsamt beschäftigt, seit zwei Jahren leitet sie die Dienststelle.

Dr. Katja Günther ist seit 30 Jahren im Gesundheitsamt beschäftigt, seit zwei Jahren leitet sie die Dienststelle. © Stadt Nürnberg

Die Stadträte stimmten nun einer Doppelspitze zu: Amtsärztin Dr. Katja Günther (61), die seit 30 Jahren in der Behörde arbeitet und sie seit zwei Jahren leitet, wurde Verwaltungsfachmann Stefan Sembritzki (52), der bisherige Chef der Zentralen Dienste, gleichberechtigt zur Seite gestellt. Günther machte daraufhin in einem Schreiben an König, Walthelm sowie Finanz- und Organisationsreferent Harald Riedel (SPD) deutlich, dass sie für diese Lösung nicht zur Verfügung stehe.

In dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, beklagt die Amtschefin "das eindeutige Primat einer kaufmännischen gegenüber der fachlichen/medizinischen Leitung". Dies habe nichts mehr mit der ursprünglich besprochenen Entlastung von "verwaltungstechnischen Angelegenheiten" zu tun.

Ihr Stellvertreter Philipp Bornschlegl und drei weitere Führungskräfte haben sich sofort hinter Dr. Günther gestellt und in einem Schreiben die Stadtspitze gebeten, die Entscheidung zu überdenken.

Zu Beginn der Pandemie gab es noch große Besprechungsrunden im Gesundheitsamt.

Zu Beginn der Pandemie gab es noch große Besprechungsrunden im Gesundheitsamt. © Stefan Hippel, NNZ

Auch Günthers Vorgänger Dr. Fred-Jürgen Beier kritisierte die Doppelspitzen-Variante, sie sei gerade in der Pandemie kontraproduktiv. Nach Informationen unserer Redaktion sind inzwischen Juristen mit dem heiklen Fall beschäftigt, eine Lösung scheint sich vorerst nicht anzubahnen.

Dr. Günther, die sich momentan im Urlaub befindet, will sich zu den Vorgängen nicht äußern. Auch nicht zu Gerüchten, nach denen sie eine verantwortungsvolle Position im Klinikum Nürnberg angeboten bekommen habe. Im Klinikum bleibt man ebenfalls verschwiegen: „Zu Personalangelegenheiten geben wir generell keine Auskunft“, teilte Sprecherin Sabine Stoll mit.


Protest: Leitungsteam kämpft um die Chefin


Bei der Stadt laufen nach Informationen unserer Redaktion längst Planspiele ohne die Amtschefin. Stellvertreter Bornschlegl, ein Kinderarzt, solle befördert werden und Unterstützung von Referentin Walthelm und ihrem Stabschef Alfred Estelmann, dem früheren Vorstand des Klinikums, erhalten.

In diesem Fall jedoch müsste die Stadt eine juristische Klippe umschiffen: Denn nach den ministeriellen Vorgaben wird von den Leitungen der Gesundheitsämter die Qualifikation als "Facharzt für das Öffentliche Gesundheitswesen" verlangt. Dies gelte grundsätzlich auch für die Kommunen als Träger eines Gesundheitsamtes, teilte das bayerische Gesundheitsministerium mit.

Nürnbergs Referentin Britta Walthelm weist daraufhin, dass mehrere Mitarbeiter ihres Amtes über diese Facharzt-Ausbildung verfügen, wenn auch nicht im Leitungsteam. Dort ist Chefin Dr. Günther, eine Fachärztin für Psychiatrie, bislang die einzige, die die geforderte Amtsarztausbildung vorweisen kann.

Alle Spitzen sind mit Amtsärzten besetzt

In Mittelfranken sind nach Auskunft der Regierung zurzeit aber alle Gesundheitsämter an der Spitzen mit Medizinern besetzt, die die Facharztausbildung durchlaufen haben. Die Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Gesundheitsamt sei für die Bewältigung der Pandemie bisher "mit Erfolg intensiviert" worden, ließ die Regierung wissen.

In der kleinen Meistersingerhalle hat das Gesundheitsamt ein Infektions-Nachverfolgungszentrum eingerichtet. Hier telefonieren die Mitarbeiter mit den Infizierten und ihren Kontaktpersonen.

In der kleinen Meistersingerhalle hat das Gesundheitsamt ein Infektions-Nachverfolgungszentrum eingerichtet. Hier telefonieren die Mitarbeiter mit den Infizierten und ihren Kontaktpersonen. © Roland Fengler, NN

Vizechef Philipp Bornschlegl ist angesichts der Entwicklung hörbar genervt. Mit ihm sei über Personalfragen noch nicht konkret gesprochen worden. Ohnehin habe das Amt jetzt anderes zu tun: "Wir müssen die Weichen stellen für eine mögliche vierte Corona-Welle. Dafür ist sehr viel Planung nötig."

Mitarbeiter sorgen sich indes um ihre Zukunft: Wenn man schon so mit der Chefin umgeht, was passiert dann mit mir?, fragen sie hinter vorgehaltener Hand.

5 Kommentare