Wenn Kinder aus ihrer Schule eine Stadt machen

28.6.2013, 00:00 Uhr
Wenn Kinder aus ihrer Schule eine  Stadt machen

© Tanja Toplak

Luka und Luis haben alle Hände voll zu tun. Der vegetarische Aufstrich für die Brötchen ist noch nicht fertig und die Tomaten müssen noch geschnitten und zum Pizzabelag gegeben werden. Also schnippeln die beiden Zehnjährigen, während zwei Tische weiter die Waffeleisen vor sich hin dampfen.

Sie kochen beide gerne, wie sie erzählen. „Am liebsten mache ich Spaghetti Bolognese“, sagt Luis. „Ich koche jeden Tag mit meiner Mutter, das macht mir Spaß“, sagt Luka. Also sind sie hier genau richtig.

Wenn Kinder aus ihrer Schule eine  Stadt machen

Es ist kurz vor halb elf im „Kiosk“ an der Jenaplan-Schule. Endspurt für das kleine Team vor der Mittagspause. Denn da wartet dann die hungrige Truppe aus den Werkstätten auf die Journalisten vom Radio, die Mitarbeiter der Post oder die Artisten vom Zirkus „Hop-Hip“, der derzeit im Erdgeschoss gastiert — eben auf die Bewohner dieser kleinen Stadt.

Zwischen Mechanikern

Seit Montag hat sich die kleine Schule an der Pillenreuther Straße in eine Stadt verwandelt. Hier gibt es vieles, was es in der realen Welt gibt. Hier wird gearbeitet, produziert und auch konsumiert. Junge Radio-Journalisten, wie die zehnjährige Odamée, laufen durchs Haus auf der Suche nach Geschichten und interessanten Interviewpartnern, während bei den Mechanikern alte CD-Player zerlegt werden, um daraus etwas Neues zu schaffen. Aber auch einen Pokal oder einen automatischen Stempel für die Poststation musste das kleine Team von Schulleiter Christian Schuster herstellen, der sich in diesen Tagen auch ständig die Hände schmutzig macht — so wie es sich für Mechaniker gehört.

Es ist das vierte Mal, dass die reformpädagogische Schule zur „Stadt der Kinder“ wird. „Es ist eine gute Gelegenheit, Kinder jenseits von Heften lernen zu lassen“, sagt Schuster. Auch wenn Mathematik oder Deutsch beinahe überall auch eine Rolle spielen. Die „Kräuterhexen“ etwa müssen ihre duftende Ware wiegen, in der Werkstatt wird Stoff gemessen, bei den Mechanikern gezählt und beim Radio geht es ohne Skript auch nicht.

Und vor dem Job in der „Stadt der Kinder“ stand eine schriftliche Bewerbung. Darin mussten die Kinder sich vorstellen und drei Berufswünsche niederschreiben. „Die Kinder lernen bei diesem Projekt sehr viel mehr, als ihnen bewusst ist, das Gehirn läuft in diesen Tagen ständig auf Hochtouren“, sagt Sozialpädagogin Astrid Thomschke.

Wenn Kinder aus ihrer Schule eine  Stadt machen

Das passt gut zur Schule, in der seit zehn Jahren die Kinder in jahrgangsübergreifenden Gruppen mit- und voneinander lernen, in der Unterricht rhythmisiert stattfindet, in der auch Eltern Kurse anbieten — und wo es keine Noten gibt. „Einen Leistungsanspruch haben wir auch, aber wir wollen Kinder nicht durch Noten in ein Raster pressen“, sagt Schuster.

Mit Ernsthaftigkeit dabei

Während der Projektwoche können die Kinder viel über die Arbeitswelt lernen und in einen von neun Berufen und Berufsbereichen hineinschnuppern. Dabei werden sie nicht nur von Lehrern und Pädagogen begleitet, sondern auch von Eltern wie etwa Tanja Wittmann, die Urlaub genommen hat, um dabei sein zu können. Sie sitzt an diesem Vormittag bei Samuel und Luca und hilft ihnen, ihre Hörfunk-Reportage über die Insektenforscher im zweiten Stock des Schulhauses zu schneiden. Sie ist begeistert. „Mich fasziniert die Ernsthaftigkeit, mit der die Kinder bei der Sache sind.“ 50 Eltern der insgesamt 121 Schüler machen in diesen Tagen mit.

Und weil zu jedem ordentlichen Job eine Bezahlung gehört, müssen auch die Schüler nicht umsonst arbeiten. Es gibt pro Stunde zwei „Jenaplan-Taler“, die wieder in der „Stadt der Kinder“ ausgegeben werden können. Ob nun für Schmuck aus der Werkstatt, die Duftsäckchen von den „Kräuterhexen“, eine Wellness-Behandlung, die Waffeln oder den Brotaufstrich vom Küchen-Team des „Kiosks“.

Die Jenaplan-Schule (Pillenreuther Straße 165) feiert am Samstag, 29. Juni, von 10-14 Uhr ein großes Sommerfest — bei dem es auch Waren aus der „Stadt für Kinder“ gibt.

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