Wie im Traum

29.4.2011, 19:25 Uhr
Wie im Traum

© Karlheinz Daut

Die drei Damen sitzen in der ersten Reihe, die große Leinwand fest im Blick. Eigentlich sind sie schon auf der Heimreise vom Bamberger Urlaubsdomizil nach Pirmasens, doch der Zwischenstopp in Nürnberg zum Public Viewing, der musste einfach sein. Der Tipp sei von der Tourismuszentrale gekommen, sagt Hedi Nowak (59), „unsere Männer haben wir in die Stadt geschickt“.

In trauter Frauenrunde genießen die Freundinnen, die allesamt seit vielen Jahren verheiratet sind, das Spektakel im fernen London. „Der William gibt sich richtig locker“, kommentiert Elisabeth Fuhrmann, als die Kamera den Bräutigam in Großaufnahme zeigt. „Es ist stark, wie lässig er dasteht, obwohl er doch bestimmt aufgeregt ist.“ Von der Kleidung über die prominenten Gäste bis hin zum „Emotionalen“ sei so eine Trauung doch einfach sehenswert. Der große Aufwand, der sei eben Tradition.

Persönliches Interesse

„Es kostet zwar viel, aber es bringt auch was“, sagt die Geschäftsfrau Andrea Pahl, in deren Augen das „tolle Paar“ eine neue jüngere Form der Monarchie repräsentiert, „auf die die Briten bestimmt wahnsinnig stolz sind.“ Das Land habe so viele wirtschaftliche Probleme, „jetzt glänzt es in neuem Schein“. Und für die Zuschauer sei eben alles spannend, „was man selbst nicht hat“.

Pahl schaut aber auch aus persönlichem Interesse mit glänzenden Augen ganz genau hin, denn sie ist erst seit einer Woche verlobt und hofft auf Anregungen für die eigene Hochzeit. Ganz romantisch, auf der Spanischen Treppe in Rom, habe ihr ihr Zukünftiger einen Antrag gemacht, erzählt die 36-Jährige, und studiert genau das „traumhafte Kleid“ der Braut. Es sei elegant und sinnlich zugleich, „das passt zu ihr“. Soeben haben sich Kate und William das Ja-Wort gegeben, auf der Leinwand ist anschließend noch einmal die voll besetzte Westminster Abbey in Großaufnahme zu sehen.

„Was für einen Moment“, seufzt Pahl. „Da ist man doch einfach verklärt, man kann gar nicht anders.“ Sogar über die Gesichter der wenigen Männer in der Runde huscht ein Lächeln, und Juniorchef Julian Stahlmann, der gerade eine kleine Pause macht, gibt zu, dass es auch bei ihm „ein bisschen kribbelt“. Das sei eben „ein großes Stück Kultur“.

Seine Mutter Annette macht aus ihrer Begeisterung für das Großereignis erst recht keinen Hehl. „So was kommt schließlich nur alle Jubeljahre vor“, sagt sie und erzählt, dass sie die Übertragung im Festzelt in erster Linie den Mitarbeitern zuliebe organisiert hat. Von Kummer und schlechten Nachrichten aus aller Welt werde man Tag für Tag genug belastet, „heute lassen wir uns einfach mal vom Märchen treiben, das ist doch schön“.

Die Sehnsucht nach Romantik und schönem Schein lässt kritische Fragen verstummen. Das „kleine Sträußle“ der Braut, die niedlichen Brautjungfern, die hübsche Schwester von Kate, die die Schleppe trägt — all das gefällt den Zuschauerinnen, von denen sich so manche verstohlen eine Träne aus dem Auge wischt.

Erinnerungen werden wach an die eigene Hochzeit, selbst wenn diese schon über 30 Jahre zurückliegt. „Ich weiß heute noch, was ich für Blumen hatte“, sagt Charlotte Wittl, die mit der Freundin ihres Sohnes, Nadine Holzberger, ins Festzelt gekommen ist. Eine richtig schöne Feier sei das damals gewesen, „da denken wir heute noch gerne dran“. Möglicherweise stehe bald die Hochzeit ihres Sohnes mit Nadine an, „da muss man sich ja informieren“. Das Kleid, so gesteht die Schwiegertochter in spe, habe sie sogar schon reserviert.

Svenja Salomon und Sibille Köbler haben zwar noch keine Heiratspläne, doch die Prinzenhochzeit nimmt auch sie gefangen. „So romantisch sei’s“, seufzt Salomon, „das gibt es nicht alle Tage.“ Die beiden Studentinnen haben sogar einen direkten Draht nach London, eine Freundin steht gerade am Trafalgar Square. „Bin so aufgeregt“, lässt sie per SMS wissen. Schnell, fast zu schnell ist aus Sicht der Beteiligten die Trauungszeremonie vorbei. „Das hat schon was Weltumspannendes, auch wenn es für uns eigentlich so banal ist“, sagen Wittl und Holzberger.

Motetten und Ansprachen nehmen die beiden Frauen dann aber nicht mehr allzu sehr gefangen. Sie haben spontan beschlossen, heute noch Schloss Atzelsberg zu besichtigen — vielleicht der passende Ort für die Hochzeitspläne der Jungen.

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