„Wir treffen nicht mehr die Sprache der Leute“

20.5.2016, 20:06 Uhr
„Wir treffen nicht mehr die Sprache der Leute“

© Foto: Linke

„Ich weiß schon, dass ich mich wieder unbeliebt mache“, ahnt und unkt der 41-jährige SPD-Mann. Gerade hat er seinen Sohn zum Kindergarten gebracht. „Der Abschied dauerte etwas länger“, meint er. Gutgelaunt in den Tag zu gehen, will er sich nicht nehmen lassen, trotz des ernsten Themas. „Aber klar“, gibt er zu, „die Lage ist ernst“. Am Parteivorsitzenden liege das jedoch am allerwenigsten, nimmt er Sigmar Gabriel in Schutz. „Es kommt drauf an, vor Ort die Leute anzusprechen.“

Mit sich selbst beschäftigt

Und dann ist er auch schon mittendrin in der Ursachensuche – mit einer ziemlich selbstkritischen Perspektive. „Ich glaube, dass wir uns als Partei immer noch viel zu sehr mit uns selbst beschäftigen“, platzt es fast aus ihm heraus, „und dass wir teilweise leider nicht mehr die Sprache der Leute treffen und überhaupt zu wenig mit den Bürgern reden“. Das bezieht er zwar weniger auf die kommunale als auf die Landesebene.

Doch das Grundproblem stelle sich auf allen Ebenen: Schwindet der Einfluss einer Partei in Gesellschaft und Parlamenten, verstärkt sich das Ringen um die tendenziell abnehmende Zahl von Mandaten. Das zwinge die bisher Amtierenden und künftige Bewerber, viel Kraft in den eigenen „Laden“ zu stecken, um sich zu profilieren und bei Nominierungsversammlungen durchzusetzen. Fließt aber die Energie mehr nach innen als nach außen, verstärke das die Abwärtsspirale. Gerade auf Landesebene seien die CSU-Kollegen im Vergleich dazu in einer bequemen Position: Sie sind in jedem Stimmkreis mit einem eigenen Abgeordneten vertreten.

Sachverstand von außen holen

Ob die SPD mit ihren inhaltlichen Positionen und Konzepten den Nerv der Leute trifft, wagt Tasdelen auch zu bezweifeln. Selbst bei so zentralen Themen wie der gesellschaftlichen Gerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit: „Das war und ist nie wirklich neu, aber es reicht eben nicht, ein paar Schlagwörter wie Erbschaftsteuer oder Bürgerversicherung in die Debatte zu werfen.“ Die SPD, meint er, wäre gut beraten, sich Sachverstand von außen zu holen und sich nicht nur selbst einzureden, gute Arbeit zu leisten. „Wir müssen uns viel kritischer begutachten lassen, wie wir wirken und was an uns fehlt.“ Schließlich müsse der Köder dem Fisch und nicht dem Angler schmecken . . .

Offenkundig sei der Eindruck weitverbreitet, dass „wir nur punktuell Löcher stopfen“, so Tasdelen, „die SPD sollte aber am Anspruch festhalten, die Gesellschaft zu verändern. Doch uns fehlt das Potenzial, das auch zu vermitteln“. Obwohl die „Großwetterlage“ der SPD „eigentlich“ Auftrieb verschaffen müsste: „Die Leute spüren, dass angesichts der Verflechtungen Solidarität nicht vor der Haustür aufhört.“

Und wie soll die Erosion gestoppt werden? Schlüssige Rezepte seien nicht erkennbar, sonst wären sie längst umgesetzt, räumt Tasdelen ein. In Nürnberg profitiere die SPD natürlich weiterhin von der Popularität und Ausstrahlung von Oberbürgermeister Ulrich Maly. In der Auseinandersetzung mit der alten und neuen Rechten müsse (nicht nur) die SPD freilich viel deutlicher Kante zeigen: „Wenn Frau Petry in den Talkshows auftritt, muss man viel deutlicher Kontra geben. Wenn sie zum Beispiel so tut, als würden überall im Lande Minarette gebaut, ist das schlicht und einfach Müll und muss auch so genannt werden. Und Muezzin-Rufe gibt es sowieso nicht – da brauche ich keine wissenschaftliche Studie.“

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