Wo heute Autos tanken, beteten einst Gläubige

27.2.2019, 17:48 Uhr
Wer genau hinsieht, erkennt, dass die Josefskirche – hier auf einem Bild um 1905 – ursprünglich anderen Zwecken diente.

© Franz Stöger (Sammlung Sebastian Gulden) Wer genau hinsieht, erkennt, dass die Josefskirche – hier auf einem Bild um 1905 – ursprünglich anderen Zwecken diente.

Kirchen verschwinden normalerweise nicht einfach so aus dem Stadtbild. Manchmal aber führen außergewöhnliche Umstände dazu, dass ein Sakralbau zerstört und nicht wiederaufgebaut wird. Die Kirche St. Josef, die einst an der Einmündung der Harmonie- in die Sulzbacher Straße in den Gärten bei Wöhrd stand, ist ein Beispiel dafür.

Tatsächlich kam das Bauwerk zu seiner Nutzung als Gotteshaus wie die Jungfrau zum Kind: Nach seiner Vollendung 1864 nach Plan von Maurermeister Georg Meier und Zimmermeister Andreas Birkmann diente es nämlich zunächst als Saalbau der 1805 gegründeten Gesellschaft "Harmonie". In ihr trafen sich Angehörige der "gebildeten Stände" zum Schwadronieren, Singen und Kegeln.

An anderem Ort, aber ganz in der Nähe, erstrahlt seit 1967 die neue Josefskirche.

An anderem Ort, aber ganz in der Nähe, erstrahlt seit 1967 die neue Josefskirche. © Boris Leuthold

1897 aber war die Luft raus und die Gesellschaft sah sich mangels beitragswilliger Mitglieder gezwungen, ihr Heim an den katholischen Krankenpflegeverein zu verkaufen. Im Hauptgebäude zogen die Niederbronner Schwestern ein. Sie betrieben dort eine Pflegestation für Kranke und ein Wohnheim für junge Frauen, das Hans Saueressig 1909 bis 1910 um einen weiteren Flügel ergänzte.

Den Saalbau dagegen ließ man nach Plänen von Franz Xaver Ruepp, dem wir auch die Herz-Jesu-Kirche in Lichtenhof verdanken, zur Kirche umbauen. Wo anfangs "Freude, schöner Götterfunken" erscholl, erklang ab dem 11. September 1898 "Großer Gott, wir loben dich".

Die Umnutzung erklärt die etwas täppische, aber durchaus reizvolle äußere Gestaltung der Kirche. Sie war Produkt des eher schmalen Portemonnaies des Krankenpflegevereins, der für einen frei stehenden Glockenturm und andere Sperenzchen keine Mittel hatte.

Ein Grund zum Stolz für alle Gemeindemitglieder: Um 1920 glich St. Josef einer großzügigen barocken Dorfkirche.

Ein Grund zum Stolz für alle Gemeindemitglieder: Um 1920 glich St. Josef einer großzügigen barocken Dorfkirche. © Franz Stöger (Sammlung Sebastian Gulden)

Auf die inneren Werte kam es an, und da konnte St. Josef punkten: Wer die Kirche um 1920 betrat, der wähnte sich in einer gediegenen Dorfkirche: Die flache Voutendecke war mit einfachem, aber dekorativem Felderstuck versehen. An der Ostwand des Langhauses und im Chor standen drei prächtige Altäre in spätbarocken Formen.

1943, als die alliierten Luftschläge gegen Nürnberg mehr und mehr zunahmen, war St. Josef eines der ersten Opfer des Bombenhagels. Die Kirche und mit ihr die Einrichtung, die sich Krankenpflegeverein und Gemeinde vom Mund abgespart hatten, ging in Flammen auf. Zurück blieb eine halb eingestürzte, rußgeschwärzte Ruine.

Sie sollte nie wiederaufgebaut werden – jedenfalls nicht an diesem Ort. Stattdessen erwarb die Gemeinde das in der Nähe gelegene Grundstück Gießereistraße 2 und ließ dort von Architekt Peter Leonhardt 1965 bis 1967 eine neue Kirche errichten.

2019 beschränkt sich die Besinnlichkeit aufs Warten an der Zapfsäule oder den Kaffee im Tankshop – leider ohne ländlichen Neubarock.

2019 beschränkt sich die Besinnlichkeit aufs Warten an der Zapfsäule oder den Kaffee im Tankshop – leider ohne ländlichen Neubarock. © Boris Leuthold

Mit seinem steilen Frackdach und dem nicht minder steilen Glockengiebel ist Neu-St. Josef wohl das, was böse Zungen als "Gebetsabschussrampe" verballhornen. Und doch ist die Kirche ein überaus reizvoller Bau, der gerade im Inneren beweist, dass man in der Nachkriegszeit faszinierende Architektur schuf.

Der Kronacher Kreisheimatpfleger Robert Wachter hat sie in seiner 2017 erschienenen Doktorarbeit über die "Kirchenbauten im Erzbistum Bamberg während der Amtszeit von Erzbischof Dr. Josef Schneider" (Verlag Michael Imhof) eingehend gewürdigt.

Ach ja: An Stelle der alten Josefskirche steht heute übrigens eine Tankstelle. Die ist zugegebenermaßen für Automobilisten äußerst praktisch, steht aber symptomatisch für die desaströse städtebauliche Entwicklung, die die Sulzbacher Straße seit 1945 genommen hat. Eine Kirche, die verschwindet, hinterlässt allzu oft eine schmerzliche Lücke.

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