Wo Kinder selber entdecken statt stupide auswendig lernen

29.2.2016, 19:25 Uhr
Wo Kinder selber entdecken statt stupide auswendig lernen

© Foto: Matejka

Die Kakaopflanze ist ein wenig mitgenommen: Seit den letzten Arbeiten im Regenwaldhaus hängen die Blätter. Das Bäumchen ist empfindlich, doch es wird wieder, ist Kristine Popp überzeugt: Am dünnen Stämmchen zeigen sich neue Triebe. Darüber hängen die Blätter einer Bananenpflanze, daneben Farne. Es ist heiß in dem kleinen quadratischen Raum mit den Glaswänden, die Luftfeuchtigkeit hoch — wie im Regenwald eben. Und genau diesen sollen Kinder erfahren: Mit allen Sinnen, so lebendig wie möglich.

Das ist der Anspruch des Kindermuseums, das 2001 entstand — initiiert von Kristine Popp, 72 Jahre alt, kinnlange graue Haare, fester Händedruck. „Wir wollen Anstöße geben, selbst etwas zu entdecken, es zu erforschen, in die Hand zu nehmen, zu recherchieren und zu präsentieren“, sagt Popp.

Verschiedene Begabungen

In der Schule werde dies leider selten umgesetzt; da gehe es doch viel zu oft um das Ausfüllen von Lückentexten in Arbeitsblättern und das Auswendiglernen. Dabei, ist Popp überzeugt, sei es viel effektiver, in Zusammenhängen zu begreifen. Zudem lerne jedes Kind anders, habe verschiedene Begabungen und brauche mitunter unterschiedlich lange Zeit.

Sie selber habe schon als Kind unter frontalem, autoritärem Unterricht gelitten: Das Mitdenken war kaum erwünscht, stattdessen das Wiederkäuen des Gelehrten. Sie wollte es besser machen, entschied sich daher, in die Schule zurückzukehren — als Kunsterzieherin. Immer habe sie versucht, die Kinder mit „Herz und Hand“ anzuleiten, „im Kunstunterricht war das möglich“. In anderen Fächern kaum.

Als Kristine Popp dann selber Mutter wurde, schied sie aus dem Schuldienst aus — und fand eines Tages eine antike Wringmaschine auf dem Sperrmüll — mit Kurbel und Gummirollen, wie aus Großmutters Zeiten. Sie trieb ein Waschbrett dazu auf und noch eine Wanne, packte alles auf ihren Anhänger: Das mobile Museum war geboren.

Inspiriert hätten sie Museen aus dem anglo-amerikanischen Raum, sagt Popp. „Dort hat man frühzeitig erkannt, dass Kinder am besten durch Forschen und Ausprobieren lernen.“ Künftig fuhr sie mit ihrer Waschküche in Schulen, stellte das Equipment zur Verfügung und ließ die Kinder auf eine kleine Entdeckungsreise gehen. Der Lehrer, so die Idee, soll dabei nur Begleiter sein — den Rhythmus geben die Schüler vor.

Inzwischen gibt es zwei Busse, die deutschlandweit über 15 Themenpakete an Schulen, Kindergärten, Bibliotheken und andere Einrichtungen liefern können.

Wie zu Urgroßelterns Zeiten

Außerdem hat sich 2001 das Kindermuseum im Kachelbau am ehemaligen Schlachthof gegründet: Drei Stockwerke auf insgesamt gut 600 Quadratmetern bieten Ausstellungen etwa zur Kolonialgeschichte, dem Alltag zu Urgroßelterns Zeiten, den Grundbausteinen der Erde und ihrem Zusammenwirken. Immer wieder gibt es Sonderausstellungen: Aktuell werden, wie jedes Jahr vor Ostern, Küken präsentiert. Hier können Kinder piepsende gelbe Federknäuel in die Hand nehmen und mit ein wenig Glück sehen, wie sich die kleinen Vögel aus der Eierschale picken.

Die Idee dazu hatte: Kristine Popp. Man könne hier so schön zeigen, wie Leben entsteht, sagt sie. Sie wüsste noch viel mehr, was präsentiert werden könnte: zum Beispiel weitere Details zur Kolonialgeschichte. Doch dazu braucht man mehr Platz. Wie für so vieles.

Und eigentlich hat Kristine Popp schon jetzt mehr als genug zu tun. Seit 2009 ist sie im Ruhestand und nur noch ehrenamtlich für das Museum tätig, das aber sicherlich mehr als 20 Stunden pro Woche. Schließlich müssen neue Konzepte ausgearbeitet, Anträge gestellt und die Internetseite betreut werden. Und dann gibt es ja noch den Garten, den sie pflegt.

Zu viel werde ihr all das nicht, sagt Kristine Popp, sie habe ja als Rentnerin auch Zeit. Und die pädagogische Arbeit mit Kindern mache ihr so viel Spaß, selbst nach so vielen Jahrzehnten noch.

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