Ein typisches Nürnberger Gaststättenhaus

Wo sich Sieben Schwaben an "Bumbes" labten: Die Geschichte des Café "Fatal" in St. Johannis

7.2.2023, 11:00 Uhr
In der Zwischenkriegszeit war die Gaststube des "Bumbes" noch im Zustand von 1897 mit Wandvertäfelung und uriger Möblierung erhalten.

© Ansichtskarte Verlag Max Stadler (Sammlung Sebastian Gulden) In der Zwischenkriegszeit war die Gaststube des "Bumbes" noch im Zustand von 1897 mit Wandvertäfelung und uriger Möblierung erhalten.

Kneipen kommen und gehen. Doch es gibt Ausnahmen. Es gibt Familienbetriebe, die bestehen über Generationen. Und es gibt gastronomische Institutionen, die haben nicht so viele Jahre auf dem Buckel, und doch möchte niemand sie missen.

Eine solche Institution ist das "Caffè Fatal" (anfangs "Bistro Fatal"), das seit 1988 im Erdgeschoss des Hauses Jagdstraße 16 residiert. Seit 1990 ist Robert Russ ihr Inhaber, und das mit Leib und Seele.

"Bumbes" sind eigentlich Baggers

Eine Gastwirtschaft gibt's hier schon lange, und deren Inhaber waren bei der Namensgebung in den letzten rund 140 Jahre durchaus kreativ: Als Paul Hofmann hier 1887 das erste, kurzlebige Lokal eröffnete, taufte er es nach dem Grimm’schen Märchen von den "Sieben Schwaben". Nachdem Gastraum und Küche zwischenzeitlich zu Wohnraum umgebaut worden waren, erweckte Adam Birkmann die Bierwirtschaft 1897 zu neuem Leben und benannte sie, nun ja, nach sich selbst. Das war weiland so ungewöhnlich nicht.

Abgesehen vom Namen der Gaststätte und den Blechkisten am Straßenrand hat sich das Haus, das heute das „Fatal“ beherbergt, kaum verändert – hier eine Aufnahme von 1970.  

Abgesehen vom Namen der Gaststätte und den Blechkisten am Straßenrand hat sich das Haus, das heute das „Fatal“ beherbergt, kaum verändert – hier eine Aufnahme von 1970.   © unbekannt (Privatbesitz)

Deutlich spaßiger wurde es wieder in den Weimarer Jahren, als Pächter Emil Künzel die Lokalität in "Bumbes" umbenannte (ein vor allem in Oberfranken übliches Synonym für Baggers). Mit der Verpachtung an die Tucher-Brauerei wurde aus dem Bumbes 1940 die "Tucherquelle". Die Tucherquelle war eine gestandene Wirtschaft, in der es Bier und Nürnberger Hausmannskost zu günstigen Preisen gab. Noch heute erinnert sich die Mutter der jetzigen Hauseigentümerinnen lebhaft an die Kaffeekränzchen zur Johanniskirchweih, bei denen es für die Kinder ein "Kirchweihgeld" für Fahrgeschäfte und Naschereien gab.

Schmiedeeiserner Zaun ist auch noch erhalten

Dem einschlägig gebildeten Leser wird auffallen, dass sich das Eckhaus im Vergleich zu seinen Nachbarn stilistisch einigermaßen konservativ ausnimmt. Es ist ein typisches Nürnberger Mietshaus des späten Klassizismus mit knallroten Klinkerfassaden, Sockel und einfacher Gliederung aus Rotsandstein und einem Mansarddach. Häuser wie dieses gab und gibt es zu Hunderten, wenn auch selten in diesem schönen Erhaltungszustand. Wer die Eingangstür im Stil der Neorenaissance und den kunstvollen Zaun mit Blumenornament und nickenden Knospen aus Eisendraht betrachtet, gerät ins Schwärmen.

Welch ein Anblick! Auch 2022 zeigt sich das Haus mit dem "Caffè Fatal" als Mittelpunkt eines malerischen Häuser-Ensembles der Zeit um 1900

Welch ein Anblick! Auch 2022 zeigt sich das Haus mit dem "Caffè Fatal" als Mittelpunkt eines malerischen Häuser-Ensembles der Zeit um 1900 © Sebastian Gulden

Um 1917 versammelten sich die Birkmanns und ihre Mitbewohner vor dem Anwesen Jagdstraße 16 zum Fototermin.  

Um 1917 versammelten sich die Birkmanns und ihre Mitbewohner vor dem Anwesen Jagdstraße 16 zum Fototermin.   © Ansichtskarte von unbekannt (Privatbesitz)

Die Häuser zu beiden Seiten dagegen – links eine Zinshauszeile im Nürnberger Stil mit Turmgauben (um 1900), rechts das prunkvolle Mietspalais Jagdstraße 12, das das Architekturbüro Popp & Weisheit 1902 für den Fabrikanten Angelo Hirsch (nachmals Bauherr der "BND-Villa") in einer Melange aus Nürnberger und Jugendstil plante – spielen in einer anderen Liga vorstädtischer Grandezza.

Ältester Bau im Umfeld

Der Grund für die etwas altbackene Erscheinung liegt daran, dass das Caffè Fatal das älteste Bauwerk im näheren Umfeld ist. Es stand schon, als die Jagdstraße (bis 1900 Jagdgasse) noch ein schmaler, gewundener Feldweg war und die geschotterte Roritzerstraße gerade fertiggestellt. Das war 1887. Wenige Jahre zuvor hatte sich im Süden des Karrees zwischen Bucher Straße, Kirchenweg, Roritzerstraße und Jagdgasse noch ein weitläufiger Garten erstreckt.

Die historische Eingangstür zum Lokal hat Charme.  

Die historische Eingangstür zum Lokal hat Charme.   © Sebastian Gulden

Nach dem Tode seines Besitzers Johann Konrad Storch 1878 hatten ihn die Erben, wie nahezu alle Gärten des Nürnberger Burgfriedens, in Parzellen aufteilen lassen und an lokale Bauunternehmer verkauft. Einer von ihnen war Johann Lorenz Zitzmann, der das Haus Jagdstraße 16 nicht nur plante, sondern auch mit seiner Firma erbaute.

Zu jener Zeit enthielt das Haus neben dem Lokal und der kleinen Wirtswohnung im Parterre – sie ist bei einem Umbau 1988 dem Gastraum zugeschlagen worden – in den darüberliegenden Etagen je eine Zwei- und eine Dreizimmerwohnung. Die Gemeinschaftsklosetts lagen in einem Schacht am Treppenhaus. Zu den bekanntesten Bewohnern des Hauses gehörte der Bankdirektor Carl Leonhard Geim, der 1927 die Friedensglocke für die Friedenskirche am Palmplatz stiftete.

Ein Zaun, wie ihn heute kaum mehr jemand zu fertigen vermag. In der Jagdstraße 16 kommt dieses Meisterwerk der Schmiedekunst erst heute ohne Hecke richtig zur Geltung.   

Ein Zaun, wie ihn heute kaum mehr jemand zu fertigen vermag. In der Jagdstraße 16 kommt dieses Meisterwerk der Schmiedekunst erst heute ohne Hecke richtig zur Geltung.   © Sebastian Gulden

Bald nach 1900 veräußerte es Zitzmanns Witwe an Gastwirt Birkmann, der ganz in der Nähe auf dem Birkmannshof, einem der letzten Bauernhöfe der Gegend, aufgewachsen war. Seither ist das Haus in Familienbesitz. Und auch die jetzige Generation schätzt das schöne Miteinander in der Hausgemeinschaft. Die gastronomische Institution des "Caffè Fatal", ihr Wirt Robert Russ und sein Team gehören selbstverständlich dazu. So schön kann Wohnen und Wirken unter einem Dach sein!

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