Yeezys für 5000 Euro: Wie Reseller am Sneaker-Hype verdienen

23.5.2022, 07:54 Uhr

Ein rotes Absperrband mit goldenem Ständer markiert die Grenze zum Himmel. Zumindest dann, wenn man ein Faible für Sneaker hat. Hinter der Kordel warten zwei Boxen, eine, in die Sammler ihren Namen werfen können. Eine andere beherbergt die Namen derer, die den Schuh, das Objekt der Begierde, für sich selbst haben möchten. Der Sneaker ist nicht irgendein Sneaker, es ist ein streng limitiertes Modell, dass der US-Rapper Travis Scott - fünf Grammy-Nominierungen, zwei Nummer-Eins-Alben, Millionär - gemeinsam mit dem Sportartikel-Giganten Nike entworfen hat. "Nike SB Dunk Low Cactus Jack" heißt er. Ein klassischer Skater-Schuh, etwas Karo-Muster, erdige Töne, dicke Schnürsenkel - kein wirklich auffälliger Sneaker für rund 135 Euro. Aber einer, der begeistert. Gut 1500 Menschen stehen dicht gedrängt in der Nürnberger Innenstadt, um ein Paar zu ergattern.

Sogenannte Instore-Raffles, also Verlosungen von Schuhen in Läden, wie diesen gibt es immer wieder. Auch wenn sich der Verkauf der limitierten Modelle mittlerweile größtenteils ins Netz verlagert hat. Yeezys, einen Adidas-Sneaker, den die Herzogenauracher zusammen mit Kanye West produzieren, gibt es in Online-Shops für 500 Euro, einzelne Nike-Modelle für 700 - und eben jenen Travis-Scott-Schuh, der auch in Nürnberg verkauft wurde, für mittlerweile 908 Euro. Reseller, davon ist auszugehen, verdienen hier kräftig mit. 

Nebenverdienst oder großes Investment?

Was am Anfang nur ein kleiner Nebenverdienst für ein paar versprengte Sneaker-Liebhaber war, ist mittlerweile ein großer Markt. Bis zu drei Milliarden Euro werde über sogenannte Resales, also Wiederverkäufe, umgesetzt, schätzen Analysten - und prognstizieren eine Verdoppelung des Handelsvolumens in den kommenden fünf Jahren. StockX, Grailed und Stadium Goods gehören zu den größten Spielern auf dem Markt. Auf den Plattformen werden die Schuhe angeboten und gehandelt wie an der Börse. Spekulanten, Verkäufer und Käufer können sich die Wertkurve wie die einer Aktie anzeigen lassen, grüne und rote Pfeile markieren Verluste und Gewinne. Beim Travis-Scott-Sneaker etwa geht die Kurve steil nach oben. Das 52-Wochen-Hoch liegt bei 3999 Euro, die Volatilität, also die Schwankung der Preise, bei gut drei Prozent. Eine sichere Bank - und ein lohnendes Investment. 


1500 Menschen stehen in Nürnberg wegen Rapper-Sneakern Schlange


Einer, der den Rapper-Schuh ergattert hat, ist Kilian. Er ist Reseller, Student, und hat eine Affinität zu Sneakern. "Ein Kumpel meines Bruders hat sich fast seine komplette Kleidung so verdient, das klang schon verlockend." Der Nürnberger verkauft zwei bis drei Produkte im Monat und verdient damit rund 300 Euro nebenbei. "Das Maximum war mal 700 Euro, aber so ein Gewinn ist schon eine Ausnahme", sagt er. Kilian ist ein kleiner Reseller, sagt: "Ich mach das nicht so professionell wie manch anderer, also mit Bots ist da noch deutlich Luft nach oben."

Der Schlüssel zum Erfolg: Bots

Bots, also intelligente Software, helfen gerade bei Verkäufen im Internet. Dort werden, vereinfacht gesagt, digitale Warteschlangen aufgebaut und unter den Interessenten die Schuhe verlost. Wie der Mechanismus arbeitet, dazu wollen sich Unternehmen wie Adidas nicht äußern. Mit den Bots aber tricksen die Reseller den Verkaufsprozess aus, indem sie Hunderte oder Tausende Anfragen gleichzeitig stellen. Die Chance, eines der Paare zu ergattern, steigt so exponentiell.

Max, der eigentlich anders heißt, ist einer dieser Reseller, die das Geschäft professionell betreiben. Er hat derzeit "acht oder neun verschiedene Bots im Einsatz", sagt er selbst - fast alle zugekauft im Internet. "Die Einsteigermodelle werden so für 400 Euro gehandelt. Aber richtig gute Bots kosten bis zu 4000 Euro."

Elf Paar Schuhe für 1600 Euro

Der Nürnberger, Mitte 20, Familienvater und Vollzeit berufstätig, verdient sich mit den Resales bis zu 1000 Euro im Monat nebenbei, abzüglich aller Fixkosten und Steuern. Viel Geld für wenig Arbeit also? Max widerspricht. "Man muss sehr viel Zeit in die Vorbereitung stecken, zum Beispiel um herauszufinden, wann welcher Schuh kommt", sagt er. "Dann braucht man jede Menge Working-Capital. Gestern habe ich elf Paar Schuhe für 1600 Euro gekauft. Das Geld ist erst einmal weg und gebunden."

Der Verkauf läuft dann quasi von alleine, denn: Angst um seinen Kundenstamm muss Max nicht haben. Die Nachfrage, auch das lässt sich auf Portalen wie StockX ablesen, ist gewaltig. Dabei tricksen Marken wie Adidas, Nike und Supreme unser Gehirn aus. Sie gauckeln einen sogenannten Kaufdruck vor, indem sie Schuhe künstlich verknappen. "In der Psychologie nennen wir das Knappheitsprinzip", sagt Hirnforscher Hans-Georg Häusel. "Der Mensch ist immer im Wettbewerb mit anderen. Wenn die Stückzahl gering ist, weiß ich: Das ist auch für andere attraktiv und dann fange ich an, darum zu kämpfen."

Gehirn ist eine "faule Sau", sagt der Hirnforscher

Im Prinzip sei unser Gehirn "eine faule Sau", sagt der Experte, Marken geben Sicherheit. Man muss nicht selber darüber nachdenken, ob ein Produkt gut ist, ob sich der Kauf lohnt. In Hirnscannern könne man sehen, wie das vordere Großhirn heruntergefahren wird. "Das ist das kortikale Vertrauen." Gleichzeitig wird an anderer Stelle mehr gearbeitet, im sogenannten limbischen System, wo Emotionen verarbeitet werden. Es geht um Status, Individualität, sexuelle Attraktivität. "Sie laden ihre Produkt mit emotionalem Sinn auf, dahinter steckt eine Traumwelt. Die Marken transportieren ein Versprechen."

 

 

So entsteht der Hype um die Marken, die davon ebenso profitieren wie Reseller. "Es gibt kein besseres Marketing als den Hype", sagt Max, die Unternehmen geben keinen einzigen Cent für Werbung aus. Weil mittlerweile so viele Reseller mitmischen wollen und die Hersteller die Stückzahlen immer weiter nach oben setzen, verfallen die Preise dann aber doch. "Du hast immer wieder Leute, die froh sind, wenn sie 30 oder 40 Euro Gewinn mit einem Schuh machen", sagt er. "Vor einem Jahr etwa waren da noch deutlich bessere Margen drin."

Max selbst hat übrigens noch nie einen Sneaker im Resale gekauft. "Ich würde es nicht einsehen, 500 Euro dafür hinzulegen." In der Szene sind die Wiederverkäufer durchaus umstritten. "Ich bin da zwiegespalten", sagt er. "Natürlich ist es blöd für die Leute, die die Schuhe gern selbst tragen würden. Aber ich würde eher den Herstellern die Schuld geben, die das bewusst so verknappen."

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