Zwischen Kampf und mentaler Selbstfindung

8.4.2008, 00:00 Uhr
Zwischen Kampf und mentaler Selbstfindung

© Iannicelli

Wenn es Abend wird, tritt Dörfler allerdings aus seinem dezenten Walten im Hintergrund heraus. In der kleinen Turnhalle der Arbeitsagentur sind dann Augen und Ohren seiner Ninjutsu-Schüler auf ihn gerichtet, verfolgen aufmerksam jede seiner Bewegungen und lauschen seinen Anekdoten über listige Schwertkämpfer und mutige Drachenbezwinger.

Dörflers Schüler wissen, dass ihr Lehrer einer der Besten seines Faches ist. Der 47-jährige Nürnberger beherrscht die Kunst des Ninjutsu nämlich wie kaum ein anderer und gehört zu den besten Ninja-Kämpfern Deutschlands. Seit einigen Jahren gibt er sein Wissen über die häufig als «Schattenkrieger» betitelten Ninjas an andere weiter.

Wie viele Teenager ließ sich auch Dörfler während seiner Jugend Anfang der 70er Jahre - von diversen Kampfkunst-Streifen wie «Das Schwert des gelben Tigers» mitreißen. «Ich habe dann im Verein mit Karate begonnen und mich Stück für Stück nach oben gearbeitet», erzählt er. Andere Kampfsportarten und Varianten kamen hinzu. «Und ich fing an, mich verstärkt mit den theoretischen Hintergründen der Ninja-Kunst zu beschäftigen.»

Der Ursprung dieser Kampfkunst lässt sich nicht mehr einwandfrei zurückverfolgen. Man geht aber davon aus, dass die Wurzeln des Ninjutsu bis ins sechste Jahrhundert nach Christus zurückreichen und zunächst recht wenig mit körperlicher Auseinandersetzung zu tun hatten. Anleitungen zur Kriegs-Spionage sollen es gewesen sein, die einige Chinesen damals mit nach Japan brachten.

Verhüllte «Schattenkrieger»

Dort wurden diese in ein bereits bestehendes System des Ninjutsu eingebaut und stetig weiterentwickelt. Etwa 200 Jahre später entstand schließlich die Kunst des lautlosen Kämpfens mittels unterschiedlichster Techniken und Utensilien. «Ninja-Kämpfer wurden häufig mit Dämonen gleichgesetzt, man hat ihnen sogar übermenschliche Fähigkeiten nachgesagt», sagt Dörfler. Dass die Schattenkrieger gerne unerkannt blieben und sich aus diesem Grund häufig von Kopf bis Fuß verhüllten, gab dem Image des skrupellosen Kriegers einen zusätzlichen Schub.

Zahlreiche Filme bedienten sich des Ninja-Mythos’. Als blutrünstige Meuchelmörder werden sie allzu oft dargestellt, die vor nichts und niemandem zurückschrecken. «Da ist über die Jahre hinweg ein verfälschtes Bild entstanden», meint Dörfler. Nicht Attentate und Spionage seien Grundgedanken des Ninjutsu, sondern vielmehr die Entwicklung eines freien und gerechten Geistes. Der Mythos von den übermenschlichen Fähigkeiten rühre außerdem schlichtweg aus der Effizienz, mit der Ninja-Kämpfer zu Werke gingen.

Und eben diese will Dörfler auch an seine Schüler weitergeben. Eine Trainingseinheit besteht neben den zahlreichen Partnerübungen zur Selbstverteidigung stets auch aus kleinen Anekdoten, die die Philosophie der Kampfkunst näherbringen sollen. Gerne erzählt Dörfler etwa die Geschichte von dem alten Samurai, der einen gefährlichen Drachen nur durch die Kraft seiner Worte in die Flucht schlug.

«Es gehört mehr zum Ninjutsu als das Kämpfen: Es ist für mich auch eine Art Selbstfindung, die sich auf alle Bereiche des Lebens übertragen lässt», sagt Dörfler. Ihm geht es weder um sportliche Höchstleistungen noch um das Einüben festgelegter Bewegungsabläufe oder das Befolgen starrer Regeln. «Bei uns kann jeder mitmachen, egal welche Voraussetzungen er mitbringt oder wie oft er ins Training kommen kann.»

Möchtegern-Ninjas, die glauben, sie könnten nach Belieben mit Säbel oder Schwert herumfuchteln, sind bei Dörfler jedoch fehl am Platz. «Mit dem Waffentraining beginnt man sowieso erst ab dem Schwarzgurt.» Dörfler selbst besitzt den elften DAN, eine der höchsten Auszeichnungen, die es im Ninjutsu überhaupt gibt.

Entsprechend locker sieht es aus, wenn er seinen Trainingspartner mit ein paar gekonnten Bewegungen zu Boden drückt und ihn in einem unlösbaren Griff gefangen hält. Ein paar letzte Partnerübungen noch, einige lockere Sprüche. dann ist die Trainingseinheit auch schon wieder vorbei - und Dörfler tritt wieder in den Hintergrund, wird erneut zum modernen Schattenkämpfer unserer Zeit.

www.sandokai.de

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