Ärzte geben Antworten

Angst vor Herzmuskelentzündung? Infektion ist viel gefährlicher als Impfung

1.12.2021, 14:26 Uhr
Angst vor Herzmuskelentzündung? Infektion ist viel gefährlicher als Impfung

© Privat

Ich bin 34 Jahre alt, männlich und nicht geimpft. Man hört einige aus dem Freundeskreis, die nach der Impfung eine Herzmuskelentzündung erlitten haben, was mich sehr skeptisch macht und auch der Grund ist, warum ich mich noch nicht impfen habe lassen. Ist der Impfstoff wirklich so bedenklich gerade im Hinblick auf Herzmuskelentzündungen bei Männern? Ist der Totimpfstoff bezüglich Nebenwirkungen (Herz) unbedenklicher?

Dr. Schmidt: Eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff tritt bei etwa 0,011 Prozent (Moderna) beziehungsweise 0,005 Prozent (Biontech) der Fälle auf. Wenn Sie also „einige“ im Bekanntenkreis kennen – sagen wir mal fünf – dann müsste Ihr Bekanntenkreis etwa 50  000 Personen umfassen. Ich empfehle also eine gewisse Skepsis bei solchen Aussagen. Die wenigen Fälle, die bisher bekannt wurden, heilten meistens folgenlos aus. Wenn Sie das ohnehin geringe Risiko einer Myokarditis nach der Impfung noch weiter vermindern wollen, sollten Sie zwei Wochen nach der Impfung auf Leistungssport verzichten – diese Empfehlung ist aber nicht durch Studien gestützt, da die Fallzahlen hierfür viel zu gering sind.

Ob ein Totimpfstoff irgendwelche Vorteile gegenüber den schon milliardenfach erprobten vorhandenen Impfstoffen hat, kann ich nicht beantworten – es ist in Deutschland ja noch keiner auf dem Markt. Nach dem, was wir von den Daten zur Wirksamkeit der vor allem in China und Indien bisher zugelassenen Totimpfstoffe wissen, bleiben sie hinter denen der Vektor- und mRNA-Impfstoffe teilweise weit zurück und haben die gleichen Nebenwirkungen. Die Gefahr einer schweren Herzmuskelentzündung infolge einer Infektion mit Covid-19 ist in jedem Fall um ein Vielfaches höher als die Gefahr, daran infolge der Impfung mit einem mRNA-Wirkstoff zu erkranken. Deshalb wäre es ziemlich unvernünftig, auf die Zulassung eines Totimpfstoffs zu warten.

Wie viele Genesene haben sich erneut angesteckt und müssen daher im Krankenhaus behandelt werden? Wie sind die Erfahrungen im Laufer Krankenhaus? Man liest hierüber gar nichts, nur dass Genesene sich nach spätestens sechs Monaten impfen müssen, um weiter unter die 2G zu fallen. Aber Statistiken zu den Genesenen bekommt man nirgends! Es gibt viele neue Studien zu Antikörpern von Genesenen. Diese sind weit über die sechs Monate ausreichend vorhanden und auch Gedächtniszellen sind vorhanden. Virologen sagen auch, dass Genesene besser geschützt sind als Geimpfte. Wie ist ihre Meinung dazu? Wir sind genesen, mit Antikörpern und unser Arzt sagt, wir sind geschützt. Aber nach sechs Monaten sagt uns eine App, dass wir nun nicht mehr als genesen zählen. Was sind wir dann? Geht es hier noch um Gesundheit?! Eine Impfung ist Pflicht, um weiter am Leben teilzunehmen. Aber warum?

PD Dr. Wildner: Tatsächlich ist die Immunität nach einer durchgemachten symptomatischen Erkrankung mit Covid-19 sehr gut. Ende September hat die Deutsche Gesellschaft für Virologie in einer aktualisierten Stellungnahme festgestellt, dass neuere Studien zeigen, dass die Immunität nach einer durchgemachten Erkrankung sogar besser ist als bisher angenommen. Eine Gleichsetzung Genesener mit Geimpften für vorerst ein Jahr soll nun geprüft werden. Da die SARS-CoV-2-Infektionen jedoch verschiedene Verlaufsformen haben, kann bei einer Infektion mit nur geringen Symptomen nicht von einer tief greifenden Immunität ausgegangen werden.

Daher ist es auch für Genesene sinnvoll, sich einer Impfung zu unterziehen, zumal aktuell ja neue Varianten des Virus auftreten, die deutlich ansteckender sind. Zudem geht man aktuell davon aus, dass für den Aufbau einer tief greifenden, lang anhaltenden Immunität mehrere Kontakte mit dem SARS-CoV-2-Erreger notwendig sind. Der Aufbau einer Immunität durch eine natürliche Infektion ist riskant und nicht zu empfehlen. Auch in Ihrem Fall ist daher eine Auffrischungsimpfung zu diskutieren. Dass Sie von Genesenen, die im Krankenhaus aufgenommen wurden, nichts lesen, liegt daran, dass es in unserem Landkreis bei über 170  000 Einwohnern bislang nur 10 347 Genesene gibt.

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