Alte Bauernregeln

Bekommen die Eisheiligen eine zweite Chance?

Katja Bub

Redaktionsleiterin

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10.5.2022, 19:00 Uhr
Spätfröste im Mai können so manchen Traum von einer reichen Ernte zunichte machen. Doch in diesem Jahr scheinen die Eisheiligen auszubleiben. Oder doch nicht? 

© Andrei Stepanov/stock.adobe.com Spätfröste im Mai können so manchen Traum von einer reichen Ernte zunichte machen. Doch in diesem Jahr scheinen die Eisheiligen auszubleiben. Oder doch nicht? 

Was genau steckt eigentlich hinter den Eisheiligen?

Stephan Weigand: Die Eisheiligen sind eine typische Wetterregel, deren Ursprünge bis ins Mittelalter zurückreichen. Damals versuchten die Menschen wiederkehrende Wetterphänomene, mit ihren teils drastischen Auswirkungen auf die Landwirtschaft, anschaulich und einprägsam zu beschreiben. Die Namenspatronen, allesamt Bischöfe und christliche Märtyrer, trugen dazu bei. In Norddeutschland beginnen sie am 11. Mai mit Mamertus, in Süddeutschland mit Pankratius einen Tag später, es folgen Servatius und Bonifatius und schließlich die „Kalte Sophie“ am 15. Mai, die streng genommen nicht mehr zu den Eisheiligen zählt.

Und wie sieht das Ganze meteorologisch aus?

Meteorologisch gesehen handelt es sich um eine sogenannte Singularität, um Wetterlagen, die als markante Witterungsabweichungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem bestimmten Zeitraum des Jahres auftreten. Für die Eisheiligen beruht dies auf der Tatsache, dass die Temperaturen bei uns Anfang Mai oft schon recht hoch sein können, häufig aber zu dieser Zeit noch mit letzten kräftigen Kaltluftvorstößen polaren Ursprungs zu rechnen ist. In der Folge können gefürchtete Spätfröste auftreten, die damals wie auch heute, Schäden in Landwirtschaft, Obst- und Gartenbau hervorrufen können. Da solche Kaltfronten typischerweise etwa einen Tag benötigen, um sich vom Norden bis nach Süddeutschland auszubreiten, erklärt dies den regional unterschiedlichen Starttermin der Eisheiligen.

Glaubt man den Meteorologen so wird’s diese Woche richtig heiß. Haben die Eisheiligen also ausgedient?

Ja, das ist richtig. Es sind die bislang wärmsten Temperaturen in diesem Mai vorhergesagt, allerdings können im weiteren Verlauf durchaus erneut weitere Kälteeinbrüche folgen. Gerade dieser Wechsel von mehrtägigen warmen und kühleren Witterungsabschnitten ist ja ganz typisch für einen Mai. Da ist es eben nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit, und damit, das zeigen auch viele Untersuchungen, eben weitgehend zufällig, ob eine solche Kälteperiode genau auf die Tage der Eisheiligen fällt. Zuletzt war das 2019 und 2020 der Fall. In anderen Jahren, so wie heuer fallen sie eben in eine Warmphase.

Aber wären die Eisheiligen nicht eigentlich viel später?

Richtig. Da die Eisheiligen bereits vor der Kalenderreform im 16. Jahrhundert aufgestellt wurden, müssten sie, übertragen auf die Gegenwart, eigentlich auf den 21. bis 25. Mai verschoben betrachtet werden. Wir sollten also für eine abschließende Beurteilung, ob die Eisheiligen heuer nicht doch noch zutreffen, die nächste Woche abwarten.

Welche Rolle spielen alte Bauernregeln wie „Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis Sophie vorüber ist“ heute noch in der modernen Landwirtschaft?

Nicht alle, aber viele Bauernregeln beleuchten besondere Beobachtungen unserer Vorfahren, die damals für ein Wirtschaften im Einklang mit der Natur durchaus wichtig waren. Sehr häufig dreht es sich dabei um Wetterphänomene, wie eben die Eisheiligen. Für manch historische Bauernregel lässt sich durchaus ein wahrer Kern finden, der so, zumindest teilweise, auch heute noch zutrifft, wenngleich natürlich nicht mehr als die Art Handlungsempfehlung früherer Jahrhunderte.

Wenn wir mal bei den Eisheiligen bleiben ...

Spätfröste im Mai, können wenn sie auf junge, austreibende oder auch blühende und damit frostempfindliche Pflanzen treffen, große Ernteverluste auslösen. So zerstörte 2020 die Frostnacht vom 11. auf den 12. Mai, pünktlich zum Start der Eisheiligen, in großen Teilen Thüringens und Frankens zahlreiche Gerstenbestände in ihrer empfindlichen Blütephase, genauso wie Schäden an Buchen in den bayerischen Höhenlagen entstanden, weil dort gerade die jungen Blätter austrieben. Auch als Gärtner kann man die Eisheiligen gerne als Merkhilfe nutzen, wenn es um den frühestmöglichen Setztermin von frostempfindlichen Pflanzen wie Gurken, Tomaten oder Geranien geht. Heuer können Sie aber wohl vor der Kalten Sophie damit schon loslegen.

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