Plagen uns Gewitter und Starkregen immer häufiger?

31.7.2014, 20:00 Uhr
In der Münchener Straße nahe dem Gerbereitunnel stand das Wasser fast einen Meter hoch.

© Klaus-Dieter Schreiter In der Münchener Straße nahe dem Gerbereitunnel stand das Wasser fast einen Meter hoch.

  Als Wissenschaftler darf man solche Urteile nur gründlich mit Fakten belegt abgeben. Weshalb Volker Wünsche, Leiter der Münchner Niederlassung des Deutschen Wetterdienstes, nicht bestätigen kann, dass Wetterphänomene, die man früher Wolkenbruch nannte und heute als Starkregen bezeichnet, neuerdings häufiger auftreten und zudem erste Anzeichen der viel beschworenen Klimaveränderung sind. „Es ist noch kein klarer Trend feststellbar, sondern die Situation ist örtlich sehr unterschiedlich.“

Überhaupt ist Starkregen ein meist lokal eng begrenztes Ereignis. Wenn den Nürnberger Süden eine Sintflut heimsucht, fällt im Norden der Stadt oft noch nicht einmal ein Tropfen vom Himmel - oder umgekehrt. In den letzten Tagen handelte es sich nicht um Gewitter, die sich an sogenannten Wetterfronten entluden, also dort, wo warme Luftmassen auf kalte stoßen. Vielmehr, sagt Wünsche, bildeten sich die Unwetter in „gleichgestaltigen Luftmassen“.

Lokale Ereignisse

 Zu merken war das schon daran, dass sowohl vor als auch nach den Regengüssen die Luft unangenehm schwül-warm war. Zwei Möglichkeiten gibt es, wenn sich solche Gewitter entladen: Die Luftmassen können entweder relativ schnell übers Land ziehen und dabei Sturm und Hagelschauer auslösen. Oder sie stehen am Himmel und sorgen, sofern Siedlungsgebiete betroffen sind, für eine erst mal ziemlich unverdauliche Niederschlagsmenge.

Situationen, die Volker Nachtmann immer wieder Ärger einhandeln. Er ist Leiter der Abteilung für Abwasserableitung beim städtischen Eigenbetrieb "Stadtentwässerung und Umweltanalytik Nürnberg". Sprich: Nachtmann ist für das 1600 Kilometer lange Kanalsystem der Stadt zuständig. Und dieses System ist heftigen Wolkenbrüchen nur bedingt gewachsen.

In der Innenstadt und in Gewerbegebieten sind die Querschnitte der Kanalrohre so ausgelegt, dass sie Wassermengen aufnehmen können, die - rein statistisch gesehen - einmal in fünf Jahren anfallen. Vom "fünfjährigen Regen" sprechen Nachtmann und seine Kollegen. In weniger sensiblen Stadtvierteln schafft der Kanal nur zwei- bis dreijährigen Regen. Ihn höher aufzurüsten, hätte unzumutbare Gebühren für die Bürger zur Folge.

Speicher gebaut

Nicht nur Nürnberg, sondern auch die meisten anderen Städte haben in den letzten 20 Jahren dennoch viel Geld in den Schutz vor Starkregenschäden investiert. Es wurden Notentlastungssysteme eingerichtet, die dafür sorgen, dass volle Kanäle zunächst dort entlastet werden, wo das Wasser oberirdisch wenig Unheil anrichten kann - etwa in Parks oder anderen Grünflächen.

Gewitter über Nürnberg: Als Foto schön anzusehen, aber oft mit heftigen Niederschlägen verbunden, die schwere Schäden hinterlassen.

Gewitter über Nürnberg: Als Foto schön anzusehen, aber oft mit heftigen Niederschlägen verbunden, die schwere Schäden hinterlassen. © News5 / Grundmann

Außerdem wurden sowohl Regenrückhaltebecken gebaut, die große Wassermengen zwischenspeichern können, als auch Überlaufbecken, von denen aus im Extremfall Wasser in Flüsse oder Seen abgeleitet werden kann. Eine Lösung, die nur im Notfall akzeptabel ist, da sämtliche im Abwasser enthaltenen Schadstoffe mit in die schützenswerten Gewässer abfließen.

"Stadtentwässerung kann noch so gut sein, sie ersetzt keine private Vorsorge", sagt Volker Nachtmann. Er empfiehlt Hausbesitzern, in jedem Fall Rückstausicherungen in ihren Hausanschlüssen installieren zu lassen und regelmäßig sicherzustellen, dass diese dann auch noch nach Jahren funktionsfähig sind. Der nächste zehn- oder gar zwanzigjährige Regen kommt bestimmt. Möglicherweise schon morgen. Abwasser-Experten neigen da eher zum Pessimismus.

Nordbayern wird Trockenzone

Womit wir noch einmal kurz zum wissenschaftlichen Blick auf unser Sommerwetter kommen. Klarer als der noch nicht eindeutig nachweisbare Trend zu häufigeren Starkregenereignissen in unserer Region ist wohl eine Entwicklung, die so gar nicht ins Bild zu passen scheint. Nordbayern ist auf dem besten Weg zur Trockenzone. Forscher des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagen für die Region eine immer stärkere negative Bilanz bei der Gegenüberstellung von Regen- und Verdunstungsmenge voraus.

Und eine Klimaprognose des Landesamts für Umwelt in Augsburg geht davon aus, dass im Zeitraum zwischen 2021 und 2050 in der Region die Jahresmitteltemperatur von derzeit 8,2 Grad um 0,8 bis 1,9 Grad ansteigen wird. Vorstellen darf man sich das als längere Trocken- und Hitzeperioden im Sommer mit über 30 Grad. Unterbrochen von Starkregen.

Es wird doch schlimmer.

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