Plötzlich verschwunden: Dutzende Examen gehen verloren

8.10.2020, 06:15 Uhr
Examen reisen bis zu fünf mal per Post durch die Bundesrepublik.

© dpa Examen reisen bis zu fünf mal per Post durch die Bundesrepublik.

Es erwischt jedes Jahr Dutzende Studenten, in allen Fakultäten. Sie haben sich durch die Vorlesungen gearbeitet, sich danach durchs Examen gekämpft. Und dann erhalten sie die Nachricht, ihre Arbeit sei leider verschwunden, innerhalb der Universität oder auf dem Postweg zum Zweitkorrektor oder sonst wo.

"Für die Betroffenen ist das katastrophal", sagt Matthias Fischbach. Der 32-jährige Erlanger sitzt für die FDP im Landtag, ist ihr parlamentarischer Geschäftsführer und ihr bildungspolitischer Sprecher. Die Prüfung, sagt er, "entscheidet über sämtliche Zukunftschancen". Dass sie "trotzdem immer wieder und ohne Not verloren gehen", sei ein Unding.


Jetzt auch legal: Digitale Prüfungen an Bayerns Hochschulen


Im Frühjahr hatte es 16 Lehramtsanwärter in Passau erwischt, und sie besonders hart. Ihre Prüfungsunterlagen sind verschwunden, ohne dass auch nur ein Korrektor darauf geblickt hätte. Wie das passieren konnte, ist unklar. Für die Betroffenen bieten sich nur zwei Möglichkeiten: Entweder, sie akzeptieren ein "Ungenügend", also eine Sechs, mit der sie durchgefallen sind; oder sie treten nächstes Jahr noch einmal an.

Natürlich treten sie noch einmal an. Immerhin kommt ihnen der Freistaat so weit entgegen, dass sie ihr Referendariat trotzdem beginnen dürfen. Nebenher müssen sie allerdings erneut für die Prüfung büffeln. Wer keine guten Noten vorweisen kann, wird später nicht ins Beamtenverhältnis übernommen.

Andere Länder sind kulanter. Bremen und Sachsen etwa hatten in vergleichbaren Fällen angehenden Juristen angeboten, sie könnten ihre verloren gegangenen Arbeiten mit dem Durchschnitt aller korrigierten Arbeiten bewerten lassen. Etwas anders verhält es sich, wenn die Arbeiten bereits einmal korrigiert und auf dem Weg zum Zweitkorrektor verschollen sind. Zwar können die Prüflinge ihre Arbeiten zwangsläufig nicht mehr einsehen und müssen deshalb hinnehmen, wie der Erstkorrektor geurteilt hat. Nach Fischbachs Worten ist das aber nicht ganz so dramatisch. "In der Regel wird da ohnehin nichts mehr verändert, außer, die Meinungen weichen ganz erheblich voneinander ab."

144 Arbeiten verschollen

Jenseits dessen, wieso es dann zwei Korrektoren bräuchte, hält nicht nur der FDP-Politiker Fischbach das gegenwärtige Verfahren für überholt. Allein bei den Lehramtsanwärtern fallen jedes halbe Jahr rund 20 000 Examen an. Und die reisen bis zu fünfmal per Post oder Boten durchs Land. So gesehen grenzt es an ein Wunder, dass laut Ministerium binnen zehn Jahren nur 144 Arbeiten verschollen sind. Das beschränkt sich freilich nicht auf die Lehramtsanwärter. Bei den Juristen etwa verschlampten die Verantwortlichen 2019 allein im Freistaat 40 Klausuren. In den anderen Fakultäten dürfte es kaum besser aussehen.

Mal verschwinden die Unterlagen in der Universität. Mal gehen sie auf dem Postweg verloren. Mal zerstört sie ein Rohrbruch. Mal weiß niemand so genau, wer sie verloren hat. Das Kultusministerium spricht von einer "absoluten Ausnahme" angesichts der 40 000 Prüfungen allein bei den Lehramtsanwärtern im Jahr, und davon, dass "trotz einer Vielzahl von Kontrollmechanismen im Verfahren menschliches Versagen nicht gänzlich auszuschließen" sei.

Immerhin heißt es dort auch, das gesamte Verfahren werde "derzeit einer Prüfung unterzogen". Ginge es nach den Studierenden, die Lösung wäre einfach: Sie fordern in einer Petition, dass die Klausuren unmittelbar nach dem Ablegen gescannt und elektronisch gesichert werden sollten. Eien Idee, für die sich auch der FDP-Politiker Fischbach erwärmt. "Dann könnten die Klausuren sofort elektronisch an beide Korrektoren verschickt werden." Das schaffe mehr Sicherheit und beschleunige im Übrigen das Verfahren erheblich.

Im Ministerium geben sie sich wohlwollend und zugleich skeptisch. Man werde das abwägen, heißt es dort. Und erinnert daran, "welche Fehlerquellen die Erstellung digitaler Kopien der halbjährlich rund 20 000 Prüfungen von jeweils bis zu 20 Seiten mit sich bringen können".

21 Kommentare