Prozess in Nürnberg: Ein Feuerkrieger, der keine Freundin fand

26.11.2020, 18:45 Uhr
Prozess in Nürnberg: Ein Feuerkrieger, der keine Freundin fand

© Roland Fengler, NNZ

Halle, Bridgeville, Christchurch: Die Attentäter sind Rechtsextremisten. Alleinstehende Männer, die Muslime und Juden verachten – und Frauen. Im August 2009 erschoss George Sodini in Bridgeville (USA) drei Frauen und verwundete weitere neun Frauen, bevor er sich das Leben nahm. Im März 2019 tötete Brenton Tarrant in Christchurch/Neuseeland in zwei Moscheen 49 Menschen. Ihr Hass auf Frauen steht schwarz auf weiß in ihren so genannten Manifesten.

Und als Stephan Balliet filmte, wie er im Oktober 2019 versuchte, in der Synagoge von Halle ein Massaker anzurichten, sagte er in seinem Video selbst: „Feminismus ist schuld an der sinkenden Geburtenrate im Westen, die die Ursache für die Massenimmigration ist. Und die Wurzel dieser Probleme ist der Jude.“

Sodini, Tarrant und Balliet. Wie diese Männer bei ihren Anschlägen vorgingen, recherchierte auch Fabian D. (23) aus dem Landkreis Cham – und stellte fest, dass auch sie im „Zölibat“ lebten, wie er es nannte. Der Frust, keine Freundin zu haben, prägte auch D., so der federführende Ermittler der Kripo Regensburg.


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Seit einer Woche wird im Landgericht Nürnberg-Fürth gegen den mutmaßlichen Rechtsterroristen Fabian D. verhandelt. Im Chat der „Feuerkrieg Division“ kündigte er seit Sommer 2019 an, dass er durch einen Anschlag ein „Heiliger“ werden wolle. Um „viele Menschen zu töten“, werde er Werkzeuge einsetzen, die „hautnah und persönlich“ seien.
Am 5. Februar 2020 nahmen Beamte der Kripo Regensburg Fabian D., er hatte als Elektriker im Schichtdienst gearbeitet, auf dem Parkplatz seiner Firma fest. Der Hinweis, so der Regensburger Kriminalkommissar, kam vom Verfassungsschutz: Fabian D. stehe kurz vor einem Anschlag.

Der Anblick von D.s Auto passte zum Verdacht: Auf der Rückbank lag ein Rucksack mit mehreren Messern, einem Beil und Schreckschusswaffen. In der Ablage der Fahrertür lag ein geladener Schreckschussrevolver. Eine zweite Schreckschusswaffe war unter dem Beifahrersitz versteckt. „Überrascht“ über die Festnahme habe Fabian D. nicht gewirkt, so der Ermittler, bei der folgenden Hausdurchsuchung gab er sich kooperativ. Er lebte im Keller seines Elternhauses in einer Einliegerwohnung, D.s Mutter hatte in ihrer Aussage vom „Kinderzimmer“ gesprochen.

In diesem „Kinderzimmer“ bewahrte Fabian D. einen Deko-Nachbau eines Sturmgewehrs der Marke Kalaschnikow, Modell AK 47, auf, er hatte ein Leuchtpunktzielgerät und zwei Luftdruckgewehre. Und er hatte sich Anleitungen zum Sprengstoff- und Bombenbau besorgt.

Die Staatsanwaltschaft ist sicher: D. bereitete einen Anschlag vor. Die Verteidigung hält dagegen: D. wollte nur im Schützenverein schießen, den kleinen Waffenschein besitzt er.
D. pflegte keine Kontakte, so der Ermittler, im Handy waren nur Familienmitglieder gespeichert: „Im Chat suchte er wohl die Anerkennung, die er im realen Leben nicht hatte.“
Ist Fabian D. nur ein Angeber, der sich hinter seiner Tastatur aufspielte, weil „die Gefahr, die anderen Männer aus dem digitalen Raum im echten Leben zu treffen, doch nicht so groß war“, wie der Ermittler beschreibt?

Oder war er sozial isoliert, im Netz abgetaucht und längst radikalisiert? D. fabulierte davon, „Neger“ zu hängen, schwärmte für den NSU und empörte sich über das Versagen des Halle-Attentäters Stephan Balliet (zu wenig Tote), dem er am liebsten „die Scheiße aus dem Kopf schlagen“ wollte. Balliett habe versagt, er verfüge über zu wenig Testosteron – ein Wunder sei es nicht, schließlich lebe er „im Zölibat“ und onaniere ständig.
Fabian D. ist voll schuldfähig

Auch er, Fabian D., fühlte sich benachteiligt. Obwohl er ganz gut aussehe, fehle die Freundin. Schuld daran sei der Feminismus, die Frauen müssten lernen, dass ihr Platz in der Küche sei. Er selbst wolle mehrere Kinder und würde diese im „deutschen Sudentenland“ nach „faschistischen Grundsätzen“ erziehen.
Die Psychologin beschreibt D. als misstrauischen Menschen, durchschnittlich intelligent, mit geringer sozialer Kompetenz.


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Der Psychiater attestiert eine „Autismus-Spektrum-Störung“ – ihm sei unverständlich, dass Fabian D. nicht schon im Kindesalter in Behandlung war. Es sei typisch für diese Störung, spezielle Interessen zu entwickeln, im D.s Fall seien es eben Waffen, doch seine Schuldfähigkeit schränke dies nicht ein. Fabian D. war während der U-Haft zeitweise in der Psychiatrie, die dortigen Ärzte hielten ihn für gefährlich. Der Prozess wird fortgesetzt. Die zentrale Frage bleibt: Hat D. einen Anschlag vorbereitet, oder machte er sich nur wichtig?