Psychopharmaka: Mit Vorurteilen aufräumen!

5.3.2019, 11:38 Uhr
Der Facharzt Albrecht Kirchner-Zeitz referierte über Wirkstoffe in Psychopharmaka und Alternativen sowie Therapieformen bei psychischen Erkrankungen

© privat Der Facharzt Albrecht Kirchner-Zeitz referierte über Wirkstoffe in Psychopharmaka und Alternativen sowie Therapieformen bei psychischen Erkrankungen

Albrecht Kirchner-Zeitz, Arzt auf dem Gebiet der Psychiatrie vom Sozialpsychiatrischen Dienstes der Diakonie, referierte über Wirkstoffe in Psychopharmaka, Therapieformen bei psychischen Erkrankungen und Alternativen zur Einnahme von Psychopharmaka. Unter Psychopharmaka versteht man Substanzen, die laut Wikipedia "die neuronalen Abläufe im Gehirn beeinflussen und dadurch eine Veränderung der psychischen Verfassung bewirken". Sie werden in der Regel zur Behandlung von verschiedenen psychischen Störungen eingesetzt.

Die Liste der verschiedenen Wirkstoffe ist sehr lang. Auf die Wirkungsmechanismen verschiedener Psychopharmaka ging Albrecht Kirchner-Zeitz im Verlauf des Vortrags diverse Male sehr anschaulich ein. Die Zuhörerschaft konnte ganz gezielt die unterschiedlichsten Fragen über diverse Präparate an den Referenten stellen. Zur detaillierten Beschreibung der Klassifizierung von Psychopharmaka nach ihrem klinischen Anwendungsbereich und des komplexen Wirkungsmechanismus dieser Medikamente wird auch auf Fachliteratur verwiesen.

Machen Psychopharmaka abhängig?

Physische oder psychische Abhängigkeit von Psychopharmaka ist wohl die größte Angst vieler Patienten und das am meisten verbreitete Vorurteil gegenüber der Einnahme dieser Medikamente. Einer Abhängigkeit lasse sich aber gut vorbeugen, wenn man beachte, dass die medikamentöse Therapie einer psychischen Erkrankung Teil eines Gesamt-Behandlungsplans sein müsse. "Es gibt klare Behandlungspläne, die den sachgemäßen Einsatz von Psychopharmaka unter ärztlicher Kontrolle genau beschreiben", erklärte Kirchner-Zeitz und schickte gleich den wesentlichen Tipp hinterher: "Gehen Sie mit einer psychischen Krankheit zu einem Spezialisten auf diesem Gebiet - sprich zu einem Psychiater!"

Der Gesamt-Behandlungsplan muss aus drei Säulen bestehen. Parallel zur Einnahme von Psychopharmaka ist eine gezielte professionelle Behandlung psychischer Störungen oder psychisch bedingter körperlicher Störungen durch eine Psychotherapie nötig, ergänzt durch soziotherapeutische Aspekte. Im Vergleich: Die Psychotherapie beschäftigt sich mit der Stärkung des "Ichs" (der "Seele") mit dem Ziel, dass der Patient besser mit sich selbst und seinen Gedanken und Gefühlen zurechtkommt. Die Soziotherapie legt nach den Ausführungen des Facharztes ein Augenmerk auf das Umfeld eines Menschen, sprich auf die sozialen, häuslichen und beruflichen Aspekte. Sie soll die Alltagsbewältigungsfähigkeiten fördern und erhalten und den Patienten zur Selbsthilfe anregen.

Keine der drei Therapieformen könne ein isoliertes therapeutisches Konzept sein, sondern in der Behandlung psychischer Erkrankungen müssten sich alle drei Maßnahmen – die Gabe von Psychopharmaka, eine Psychotherapie und Soziotherapie - grundsätzlich sinnvoll ergänzen, so Kirchner-Zeitz. Er führte zur besseren Veranschaulichung ein Beispiel auf: "Ein Gips um ein gebrochenes Bein heilt nicht den Bruch, sondern kann nur unterstützend bei der Heilung wirken. Ähnlich verhält es sich bei Psychopharmaka: Sie wirken unterstützend in der Therapie, heilen aber nicht die Grunderkrankung".

Was gibt es für Alternativen?

Vor allem bei der Behandlung schwerer depressiver Episoden, schwerer psychischer Erkrankungen wie Psychosen, Schizophrenie oder einer bipolaren (manisch-depressive) Erkrankung kann auf Psychopharmaka nicht verzichtet werden. Gleiches gilt für die Therapie von Angst- und Zwangsstörungen. Erst durch die auf die Psyche wirkenden Medikamente werden diese Erkrankungen behandelbar, weil dadurch eine Basis für eine gesamtheitliche psychotherapeutische Behandlung geschaffen wird, betonte der Referent.

Als eine wirkungsvolle Therapieform bei Depressionen oder Schizophrenie wurde auch auf die sogenannte "Elektro-Konvulsions-Therapie (EKT)" verwiesen. Das pflanzliche Psychopharmakon Johanniskraut sei bei leichten und mittelgradigen Depressionen eine bewährte Alternative. Zu beachten sei hier aber, dass auch Johanniskraut Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln habe und auch hier ein sachgemäßer Einsatz mit ärztlicher Kontrolle notwendig sei. Einer psychischen Erkrankung oder erneuten Episode könne am wirkungsvollsten Leistungssport entgegenwirken, erfuhren die Zuhörer mit dem Rat: "Wer damit nichts am Hut hat: Es reicht auch genug Bewegung! Gehen Sie spazieren, reiten, Tennis oder Fußball spielen - Hauptsache bewegen!"

Hilfe durch Sozialpsychatrischen Dienst

Der Sozialpsychiatrische Dienst der Diakonie bietet Beratung bei psychischer Erkrankung und in seelischen Krisensituationen. Es gibt diverse Einzel- und Gruppenangebote, laufend und befristet. Das Angebot ist kostenlos und in besonderen Fällen gibt es auch die Möglichkeit für Hausbesuche. Kontakt aufgenommen werden kann in Neustadt Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr unter der Telefonnummer 09161/873571.

Da der Vortrag sehr schnell ausgebucht war, wird das Netzwerk "über Zaun und Grenze" die Veranstaltung "Psychopharmaka – Pillen für die Seele" am 27. November 2019 wiederholen. Weitere Informationen und Termine zum Thema "Nachbarschaftshilfe" im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim sind unter überzaunundgrenze zu finden zu finden oder telefonisch unter (09161/888919).

 

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