Rechte Inhalte in Chat: Eklat um Würzburger Karnevalisten

15.11.2018, 06:00 Uhr
Von den 800 Mitgliedern der Würzburger Giemaul-Gilde zählen rund 170 zu den Aktiven in jeder Faschingssaison.

© Daniel Peter Von den 800 Mitgliedern der Würzburger Giemaul-Gilde zählen rund 170 zu den Aktiven in jeder Faschingssaison.

Selbst hartgesottenen Karnevalisten bleibt das Lachen im Halse stecken, wenn sie in diesen Tagen in die unterfränkische Narrenhochburg Würzburg blicken. Dort zieht eine Affäre um menschenverachtende Darstellungen ihre Kreise, die auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt so schockiert hat, dass er seine Funktion als ehrenamtlicher Gilderat bei der "Fasenachtsgilde Giemaul" im Stadtteil Heidingsfeld ruhen lässt, bis alle Vorgänge restlos geklärt sind. Seine Stellvertreterin und der Bürgermeister, auch sie Räte der traditionsreichen Gilde mit über 800 Mitgliedern, taten es ihm gleich.

Was jetzt den Staatsanwalt auf den Plan gerufen hat, begann schon vor einiger Zeit: Die Gilde, benannt nach einer Sagengestalt, unterhält eine interne Whatsapp-Gruppe mit dem Namen "11er-Unsinn". In ihr haben sich über 20 Mitglieder, darunter viele aus der Führungsriege und der Präsident, zum Austausch zusammengeschlossen. Plötzlich tauchten dort rassistische Nachrichten wie diese auf: Ein Bild zeigt einen Stahlhelm-Soldaten am Geschütz, dessen Mündung direkt auf den Betrachter zielt. Darunter steht: "Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1400 Anträge in der Minute ab!"

Verbreitet haben soll es der bisherige 3. Gesellschaftspräsident. Und auch solche Passagen soll er gepostet haben: "Übrigens hat Deutschland in dieser WM bereits einen Rekord geschlagen, ohne zu spielen - Wir sind mit 10.000 Mann in Moskau angekommen. Das sind 40 Kilometer weiter als der alte Rekord von 1942 - allein dass die Nationalhymne in Moskau gespielt wurde, ist ein Sieg. Ich hatte Tränen der Freude in den Augen. Wenn das der Führer hätte noch erleben können!"

"Gegen alle Traditionen"

Als die 2. Gesellschaftspräsidentin Heike Bader, die nicht zur "11er-Unsinn"-Gruppe gehörte, von diesen rechtsextremistischen Umtrieben erfuhr, forderte sie den Präsidenten und Vereinsvorsitzenden Christian Reusch auf, dagegen vorzugehen: Das ihr zugespielte Material "widerspreche allen Idealen und Traditionen der Fastnachtsgilde", begründete Bader. Sie informierte die Gilderäte, unter ihnen der Oberbürgermeister, und wandte sich auch an das Würzburger Bündnis für Demokratie und Zivilcourage. Dessen Sprecher sind Mitglieder im städtischen Ombudsrat, eine Art Antidiskriminierungsstelle. Das Bündnis sah eine eindeutige Nähe zum Rechtsradikalismus gegeben und schaltete den Staatsschutz ein, die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Volksverhetzung auf.

Doch seit ihrem Schritt an die Öffentlichkeit ist Bader (50) ungeheurem Druck ausgesetzt, wird angefeindet: Nicht nur, dass die Faschingsgesellschaft Giemaul ein Ausschlussverfahren gegen die mutige Lehrerin wegen "vereinsschädigendem Verhaltens" vorbereitete, Bader wurde auch vors Zivilgericht gezerrt: Der mutmaßliche Verbreiter der ungeheuerlichen Whatsapp-Posts, der 3. Gesellschaftspräsident, fühlte sich beleidigt und verleumdet und will sich nicht als "rechtsextrem" titulieren lassen.

In der Verhandlung führte der Funktionär an, die Inhalte seien zwar geschmacklos, sie seien aber nur an Personen versandt worden, die "dies auch als Unsinn verstehen". Es habe ausschließlich "satirische Inhalte zur internen Erheiterung" transportiert. Heike Baders Anwalt Burkard Hohmann bekam von ihm sogar zu hören, diese Botschaften seien nichts anderes, als "die früheren Ostfriesenwitze". Doch Jurist Hohmann sieht das ganz anders. Der NN-Redaktion sagte er: "Das hat mit Unterhaltung und Lustig sein nichts zu tun. Das ist rechtes Gedankengut!" Die Richterin sah keinen Grund, Heike Bader diese Behauptung zu untersagen, und lehnte den Antrag des Funktionärs ab.

Kripo durchsuchte Wohnhaus

Stefan Lutz-Simon vom Sprecherrat des Bündnisses für Demokratie und Zivilcourage begrüßt das Urteil. Bader habe mutig gehandelt. "Die, die sich couragiert zeigen, dürfen nicht Opfer ihrer Courage werden", mahnt er. Vergangene Woche erwirkte die Staatsanwaltschaft Würzburg einen Durchsuchungsbeschluss: Die Kripo filzte die Wohnung des mutmaßlichen 52-jährigen Verbreiters der Whatsapp-Posts und stellte sein Mobiltelefon als Beweismittel sicher, wie ein Polizeisprecher bestätigte. Noch sei die Auswertung nicht vollständig.

Die Vereinsspitze, die anfänglich von "Gerüchten" gesprochen hatte, legte nun endlich ihre zögernde Haltung ab. Vorsitzender und Präsident Reusch veröffentlichte auf der Internetseite der Faschingsgesellschaft eine Stellungnahme, in der der Verein "in aller Deutlichkeit Abstand von rechtem Gedankengut, von jeglichen Nationalismen und Diskriminierung jeglicher Art" nimmt.

Schon Tage zuvor hatte sich der Fastnacht-Verband Franken an die Öffentlichkeit gewandt und sich von "Rechtsextremismus, rechtsradikalem Gedankengut und Ausländerfeindlichkeit" scharf distanziert. "Personen, die diesen Grundsätzen zuwiderhandeln, haben in unserem Brauchtum und in unseren Vereinen keinen Platz", betonte der neue Verbandspräsident Marco Anderlik. Seine deutlichen Worte zeigten offenbar Wirkung. Der 3. Gesellschaftspräsident der Giemaul-Gilde hat sein Amt niedergelegt und den Verein verlassen.

Für Heike Bader ist die Sache noch nicht ausgestanden. Sie ist, nach über zehn Jahren Mitgliedschaft, aus dem Verein ausgetreten. Eine Faschingsgesellschaft müsse auch Kindern ein Vorbild sein und demokratische Werte vermitteln, argumentiert die Lehrerin. Derlei rassistische Äußerungen wie in der "11er-Unsinn"-Gruppe hätten dort nichts zu suchen.