Diffamierende Fragen

Blutspende: Kein Ausschluss mehr für Homosexuelle

8.7.2021, 06:04 Uhr
Blutkonserven sind Mangelware. Dass das Blutspenden künftig auch für homosexuelle Männer ohne diffamierende Fragen möglich ist, halten Betroffene und BRK für überfällig.  

© imago images/McPHOTO, NN Blutkonserven sind Mangelware. Dass das Blutspenden künftig auch für homosexuelle Männer ohne diffamierende Fragen möglich ist, halten Betroffene und BRK für überfällig.  

Es ist wohl nur noch eine Frage der Reihenfolge. "Bei Sexualverkehr ausschließlich innerhalb einer auf Dauer angelegten Paarbeziehung (schließt beide Partner ein) von nicht infizierten Partnern/Partnerinnen könne per se von keinem erhöhten Risiko für durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten ausgegangen werden. Ein erhöhtes Risiko ergebe sich erst aus einem zeitlich aktuellen Sexualkontakt mit Personen, deren Verhalten ein hohes Risiko für durch Blut übertragbare Infektionskrankheiten berge." So heißt das Ergebnis einer Arbeitsgruppe, das die Bundesärztekammer schon veröffentlicht hat und bis Mitte September verabschieden will.


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Das bedeutet: Der Fragebogen für potenzielle Blutspender ändert sich. Bisher durften homosexuelle Männer nur dann Blut oder Plasma spenden, wenn sie zwölf Monate lang enthaltsam gelebt haben. Bisher seien homosexuelle Männer automatisch angesehen worden, "als ob wir wild in der Gegend rummachen", ärgert sich Marcel Schneider. Der Friseurmeister und stellvertretender SPD-Bezirksvorsitzender aus Rednitzhembach setzt sich als bekennender Homosexueller "seit vielen Jahren" dafür ein, dass auch Schwule Blut spenden dürfen.

"Ein Hohn"

Bis zur Bundesärztekammer habe er sich deshalb diskutiert und gestritten. Aber obwohl er seit 28 mit seinem Partner zusammen und seit elf Jahren mit ihm verheiratet sei, obwohl er angeboten habe, sechs Wochen lang HIV-Tests zu machen, durfte er nicht Blut oder Plasma spenden. "Ein Hohn", sagt Schneider, zumal es bei Organspenden diese Beschränkung nicht gebe. "In der kurzen Zeit von acht Stunden bis zu einer Herztransplantation ist ein HIV-Test aber gar nicht möglich."

Wenn alles so läuft, wie die Bundesärztekammer vorgelegt hat, dürfen Homosexuelle demnächst Blut spenden. Bisher mussten sie unterschreiben, ein Jahr lang enthaltsam gelebt zu haben. Marcel Schneider (hier bei der Trauung mit seinem Mann) hat jahrelang gegen diese "Unterstellung der Promiskuität" gekämpft.

Wenn alles so läuft, wie die Bundesärztekammer vorgelegt hat, dürfen Homosexuelle demnächst Blut spenden. Bisher mussten sie unterschreiben, ein Jahr lang enthaltsam gelebt zu haben. Marcel Schneider (hier bei der Trauung mit seinem Mann) hat jahrelang gegen diese "Unterstellung der Promiskuität" gekämpft. © Marcel Schneider, NN

"Blut ist ein Lebenselixir", sagt er, gerade jetzt sei es so wichtig, dass viele Menschen zum Spenden bereit sind. Dass das Verbot für Homosexuelle gerade jetzt kippt, macht ihn "einerseits glücklich", und er werde sich trotz seiner Spritzenangst auf jeden Fall anmelden. "Andererseits macht es mich traurig", denn jeder Blutspender tut das sehr verantwortlich. Ein lockeres Sexualleben gebe es doch sowohl bei Hetero- als auch bei Homosexuellen: "Der Ehemann, der zur Prostituierten geht, erzählt seiner Frau vielleicht nicht davon."

"Längst überfällig" war das Aufheben dieser Klausel, findet auch Sebastian Köppl aus Roth. Damit wird behauptet, bloß weil man schwul ist, ist man nicht bindungsfähig." Stimmt nicht, setzt er dagegen: "Alle meine schwulen Freunde haben langjährige Beziehungen." Außerdem weiß er von homosexuellen Menschen, die schon Blut gespendet haben "und damit einen Dienst für andere leisten".


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Das Rote Kreuz organisiert und führt das Blutspenden durch. Was hält man dort von der Aufweichung? "Überfällig", sagt Rainer Braun, der Geschäftsführer im BRK Kreisverband Südfranken. Der Ausschluss sei "nicht mehr zeitgemäß". Braun: "Wenn man jeden Tag einen anderen Partner hat, ist das bei Heterosexuellen doch genauso gefährlich."

Patric Nohe, der Pressesprecher des BRK Bayern, freut sich über jeden, der zur Blutspende bereit ist, solange deren Sicherheit gewährleistet ist". Und wenn aus dem Fragebogen zum Blutspenden, der sowieso regelmäßig aktualisiert werde, dann im September die Klausel der zwölfmonatigen Enthaltsamkeit für homosexuelle Männer herausfalle, "dann setzen wir das um".

Bedarf steigt unplanbar

"Aber im Moment sind wir vollauf damit beschäftigt, überhaupt genügend Spenden zu bekommen." Zwar sei es auch in der Krisenzeit gelungen, die Notversorgung mit Blutreserven aufrechtzuerhalten. "Doch das ist alles andere als selbstverständlich." Denn derzeit holen Kliniken die wegen Corona verschobenen Operationen nach. "Die nutzen den Zeitkorridor, von dem man nicht weiß, wie lang er ist. Also operieren sie auf höchstem Niveau."

Die Folge: Der Bedarf steigt unplanbar - genau in einer Zeit, da endlich sommerliche Temperaturen herrschen, die Urlaubs- und Freizeitlust wieder gestillt werden kann. Ans Blutspenden denkt man da nicht als erstes. Wahrscheinlich auch die vielen jungen Erstspender nicht, die während der Pandemie dazugekommen sind.

Auch an der Rother Kreisklinik spürt man, dass die Menge der Blutkonserven knapper geworden ist. Für Dr. Andreas Stegmaier ist deshalb vor allem wichtig, dass die Konserven regelmäßig getestet werden. "Es ist doch gut und notwendig, dass Menschen, die spenden wollen, das auch regelmäßig tun." Ob bei Homosexuellen ein größeres Risiko bestehe als bei Heterosexuellen: "Ist das wirklich die Frage?"

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