Club-Legenden aus Roth und Schwabach und die Wurstsemmel

1.12.2019, 06:13 Uhr
Zwei Spieler aus dem ehemaligen Kreis Schwabach im direkten Duell. Der Schwabacher Egon Loy stand im Tor der Eintracht Frankfurt, der Rother Torjäger stürmte für den Club. Beide wurden mit ihrem neuen Verein deutscher Meister und hatten im Europapokal ihr sportlich größtes Erlebnis. Heini Müller zählte zum Club-Team, das den damals amtierenden Europapokalsieger Benfica Lissabon mit 3:1 besiegte, Egon Loy stand mit der Eintracht im Europapokalfinale gegen Real Madrid. 135.000 Zuschauer erlebten i

© Archivbild: Kurt Schmidtpeter Zwei Spieler aus dem ehemaligen Kreis Schwabach im direkten Duell. Der Schwabacher Egon Loy stand im Tor der Eintracht Frankfurt, der Rother Torjäger stürmte für den Club. Beide wurden mit ihrem neuen Verein deutscher Meister und hatten im Europapokal ihr sportlich größtes Erlebnis. Heini Müller zählte zum Club-Team, das den damals amtierenden Europapokalsieger Benfica Lissabon mit 3:1 besiegte, Egon Loy stand mit der Eintracht im Europapokalfinale gegen Real Madrid. 135.000 Zuschauer erlebten i

Zu den Zeiten, als Auswechseln von Spielern noch nicht erlaubt war und Referees ohne Karten auskommen mussten, herrschte nicht nur in Roth und Schwabach, sondern auch in Rednitzhembach oder Georgensgmünd oft Großkampfstimmung.

Die Talentsichter des Clubs wussten es durchaus zu schätzen, dass auch am Rand der Großstadt ganz passabel Fußball gespielt wurde. Ihre Suche nach "Rohdiamanten" vor den Toren Nürnbergs war Mitte der 1950er-Jahre so erfolgreich, dass in der Premieren-Saison der 1. Fußball-Bundesliga am 26. Spieltag eine Nürnberger Mannschaft auflief, mit vier Spielern, die im Kreis Schwabach das fußballerische Handwerk gelernt hatten. Beim 0:0 im Städtischen Stadion gegen den damaligen Dritten, den VfB Stuttgart, stand der Unterreichenbacher Roland Wabra zwischen den Pfosten. Heini Müller (Roth) zog an der Seite von Max Morlock im Mittelfeld die Fäden, während Richard Albrecht (Roth) und Walter Fladerer (Georgensgmünd) die Flügelzange des Clubs bildeten. Roland Wabra und Heini Müller zählten an diesem 4. April 1964 vor 32.000 Zuschauern zu den besten Nürnbergern. Albrecht und Fladerer dagegen hatten gegen die Stuttgarter Verteidiger Seibold und Eisele einen schweren Stand. Den möglichen Siegtreffer des Clubs vergab Torjäger Heinz Strehl, als er in der 18. Minute einen Elfmeter an den Pfosten setzte.

Eines der besten aller Zeiten

Für Talente aus Schwabach war der Club das erklärte Ziel. Für eine der wenigen Ausnahmen sorgte der Schwabacher Schlussmann Egon Loy. Er unterschrieb bei der Frankfurter Eintracht und zog damit ein großes Los. Loy war 1951 mit dem TSV 04 Schwabach in die höchste bayerische Amateurliga aufgestiegen und hütete nach seinem Wechsel nach Hessen in der Saison 1958/59 das Tor von Meister Frankfurt. Sein größtes Erlebnis war trotz sieben Gegentoren das Europapokal-Finale gegen Real Madrid am 18. Mai 1960 in Glasgow vor 135.000 Fans. Noch heute gilt dieses Duell (3:7) als eines der besten Europacup-Endspiele aller Zeiten.

Einer der ersten Schwabacher, der nach dem Krieg den Weg zum Club fand, hieß Waldemar Schweinberger. Er absolvierte von 1953 bis 1961 insgesamt 153 Oberligaspiele für den Club und erzielte 40 Tore. Neben Max Morlock war der Schwabacher Volksschullehrer als "Ballschlepper" eine Klasse für sich. Fast in jedem Spiel verdiente sich der Offensivspieler, der trotz seines sportlichen Engagements weiter seinem Beruf als Lehrer nachging, die Fleißnote "1".


Buch über Meisterspieler Heini Müller: "Unterhaltsam und reflektiert"


In dem Buch "Das Spiel seines Lebens" von Hans Pühn, der eine goldene Ära des 1. FC Nürnberg in den 1950er- und 1960er-Jahren anhand der sportlichen Biografie von Heini Müller nachvollzog und dabei über das Spiel auch die deutsche Nachkriegsgeschichte und die rührende Anhänglichkeit an diesen Verein erzählt, spielt auch eine A-Klassen-Begegnung eine gewisse Rolle: Als am 13. März 1955 der TSV Roth mit einem 6:1-Sieg beim SV Rednitzhembach den Aufstieg in die 2. Amateurliga perfekt machte, standen drei Spieler unter besonderer Beobachtung der Club-Späher: Auf Seiten des TSV Roth Heini Müller, Spielgestalter und Torjäger in Personalunion, sowie Außenläufer Ludwig Beckstein. Beim SV Rednitzhembach war es Goalgetter Max Schmidt. Heini Müller machte als vierfacher Torschütze seinen Ruf als Publikumsliebling alle Ehre. Ludwig Beckstein spielte ebenfalls groß auf. Nur Max Schmid kam gegen einen starken TSV Roth nicht so recht zur Geltung. Dennoch engagierte der Club den Rednitzhembacher. Schmid trug von 1956 bis 1959 insgesamt 126mal das Clubtrikot. Dabei schoss er 37 Tore.

Mit sechs Spielern aus der Umgebung Nürnbergs spielte der Club 1957/58 eine starke Saison. Stehend (von links): Gustav Schober, Joe Zenger (Herzogenaurach), Richard Albrecht (TSV Roth), Günther Glomb, Waldemar Schweinberger (SC 04 Schwabach), Max Morlock, Heini Müller (TSV Roth); kniend: Max Schmid (Rednitzhembach), Walter Zeitler, Roland Wabra (Unterreichenbach), Kurt Ucko.

Mit sechs Spielern aus der Umgebung Nürnbergs spielte der Club 1957/58 eine starke Saison. Stehend (von links): Gustav Schober, Joe Zenger (Herzogenaurach), Richard Albrecht (TSV Roth), Günther Glomb, Waldemar Schweinberger (SC 04 Schwabach), Max Morlock, Heini Müller (TSV Roth); kniend: Max Schmid (Rednitzhembach), Walter Zeitler, Roland Wabra (Unterreichenbach), Kurt Ucko. © Archivbild: Kurt Schmidtpeter

Auch Heini Müller wechselte am Ende der Saison nach Nürnberg, was in seiner Heimatstadt einen regelrechten Aufruhr verursachte. Der Aufstiegsheld wurde zum Buh-Mann. Allerdings nicht auf Dauer. Die glanzvolle Karriere des späteren Nürnberger Meisterspielers versöhnte die Rother wieder. Müllers gleichaltriger Freund Ludwig Beckstein aber blieb in Roth und rückte zusammen mit dem Neuzugang Richard Albrecht aufgrund starker Leistungen in der 2. Amateurliga in die Bayern-Auswahl der Amateure auf. Und wieder stand der Club vor der Türe. Beckstein trainierte zwar etliche Male mit Morlock und Co., brachte aber nicht den Mut auf, sich der damals starken Nürnberger Konkurrenz auf der Außenläuferposition zu stellen. Statt der vagen Aussicht auf eine Karriere als Profifußballer wollte er bei seinem Heimatverein lieber weiter regelmäßig Fußball spielen.

Der gebürtige Markt Berolzheimer Richard Albrecht dagegen hatte nach zwei Jahren als Torjäger beim TSV Roth weit weniger Bedenken und machte dann auch beim Club Karriere. Zwischen 1957 und 1965 absolvierte er 130 Spiele in der ersten Club-Elf und erzielte 40 Tore. Seine größten Erfolge waren der Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1961 und der Pokalsieg ein Jahr später.

Walter Fladerer aus Georgensgmünd wurde 1963 beim Nürnberger Start in die Bundesliga als sogenannter Ergänzungsspieler verpflichtet, kam aber nur auf zwei Spiele in der Profimannschaft und wechselte nach einer Saison beim Club zum Regionalligisten Schweinfurt.

Nie in der Nationalelf

Der Unterreichenbacher Roland "Rolli" Wabra avancierte nach seinem Wechsel zum Club mit zwei Meistertiteln (1961 und 1968) sowie einem Pokalerfolg (1962) zu einem der erfolgreichsten Nürnberger Spieler aller Zeiten. Für viele Anhänger des fränkischen Fußballs unverständlich, dass Wabra trotz seiner Klasse als Nürnberger Schlussmann nie in der Nationalmannschaft auflaufen durfte. Zwischen 1955 und 1969 bestritt er 523 Spiele für den Club. Nach seiner Profi-Karriere kehrte Wabra als Spielertrainer zum Stammverein SV Unterreichenbach zurück.

Ein Buch über glorreiche Zeiten des 1. FCN. Erhältlich im Buchhandel, den Geschäftsstellen der NN samt Heimatzeitungen.

Ein Buch über glorreiche Zeiten des 1. FCN. Erhältlich im Buchhandel, den Geschäftsstellen der NN samt Heimatzeitungen. © Hans Pühn

Ihren Durchbruch zum Stammspieler in der Vertragsspieler-Elf des 1. FC Nürnberg hatten die früheren A-Klassen-Spieler im Kreis Schwabach, Heini Müller, Max Schmid und Roland Wabra, unter Trainer Franz Binder geschafft. Mit seiner lockeren Art, sein Team zu führen, kam der gesellige Wiener, einst einer der weltweit erfolgreichsten Torjäger, gerade bei den jungen Spielern gut an. Der vielfache Nationalspieler hatte "die Ruhe weg". Als sich Max Schmid im Training bei Schussübungen einen dicken Knöchel zuzog, schickte ihn Binder nicht zum Arzt, sondern in die Vereinsgaststätte. "Kaufst dir eine dicke Wurstsemmel, dann geht‘s schon wieder", gab er dem Angreifer mit auf den Weg. Zwei Tage später stürmte Schmid wieder für den Club.

Buchvorstellung "Das Spiel seines Lebens" am Dienstag, 3. Dezember, 19 Uhr, im neuen Club-Haus (Nürnberg, Josephsplatz 4) mit Meisterspieler Heini Müller, Autor Hans Pühn und NN-Sportchef Hans Böller.

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