Der Löll muss dieses Mal an der Leine bleiben

8.2.2021, 05:00 Uhr
Der Löll muss dieses Mal an der Leine bleiben

© Foto: Verein Hilpoltsteiner Flecklasmänner

Der Löll muss dieses Mal an der Leine bleiben

© Foto: Verein Hilpoltsteiner Flecklasmänner

Eigentlich ist es kein Fasching im karnevalistischen, rheinischen Faschingssinn, was in Hilpoltstein gefeiert wird. Der Brauch der Flecklasmänner geht vielmehr auf das Vertreiben des Winters zurück.

Der Flecklasmo hat(te) eine Peitsche, mit der er den Winter hinfort jagte. An seinem Gewand, zu dem man heutzutage Kostüm sagt, trug er Rauten in der Farbe Rot – das Symbol für das Neue und den Frühling. Die Larve ist die Maske, die er über dem Gesicht trug.

Der Begriff Larve ist sehr alt, kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "der Geist, die Erscheinung". Das Sprichwort "entlarven" zeigt auch die Bedeutung der Gesichtsbedeckung: Der Träger der Larve wollte nicht von dem Bösen, dem Winter erkannt, also "entlarvt" werden. Auch heute noch nehmen die Flecklasmänner, die mittlerweile in einem Verein organisiert sind, nur voreinander, in dunklen Ecken ihre Larve ab, damit sie nicht vom Winter erkannt werden.

Strohpuppe verbrannt

Im Laufe der Jahre gesellte sich ein Strohbär, der "Löll", zu den Brauchtumsgesalten. Dieser symbolisierte den Winter und wurde am Faschingsdienstag auf dem Marktplatz symbolisch als Strohpuppe verbrannt. In alten Aufzeichnungen vor fast 230 Jahren fand der Verein Hilpoltsteiner-Flecklasmänner e.V. Berichte über das Verbot des Lölls. Die Kirche war in der beginnenden Neuzeit den heidnisch anmutenden Bräuchen gegenüber sehr skeptisch eingestellt. 2015 animierte der Verein nach 222 Jahren den Löll wieder. Und zwar anlässlich des ersten Brauchtumsumzugs in der Burgstadt.

Die Flecklasmänner zogen am "Unsinnigen Donnerstag" von Wirtschaft zu Wirtschaft und forderten Tribut für das Wintervertreiben ein. Sie bekamen Getränke und Essen. In der heutigen Zeit erscheint das als banal, doch in der damaligen Zeit war es für die Menschen, die sich hinter den Larven verbargen, eine Gelegenheit an eine Mahlzeit und kostenloses Bier zu kommen. Sie mussten sich auch nicht schämen, denn niemand erkannte, wer sich hinter den Larven verbirgt.

Da es eine arme Zeit war, hatten die Menschen oftmals nur das Nötigste, die Larven und das Gewand wurden oft in der Familie weitergegeben. Durch das Tragen nutzten sich die roten Rauten an dem Gewand ab und wurden durch Stoffflecken ersetzt. Es wurden Stoffreste einfach zusätzlich zu den Rauten, oder eben als Ersatz, auf das Gewand aufgenäht. So entstand das bekannte bunte Fleckengewand.

Fast in Vergessenheit geraten

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet der uralte Brauch fast in Vergessenheit. Die Familie Brunner, mit der Familie Glossner und einer Handvoll anderen, führten aber den Brauch weiter. Wer von den Hilpoltsteinern kennt ihn nicht? Den mittlerweile verstorbenen Flecklasmo Karl Brunner?

Der Flecklasmo ging von Wirtschaft zu Wirtschaft, von landwirtschaftlichem Anwesen zu Anwesen und bekam Essen, oftmals nahm er dies mit nach Hause. Die alteingesessenen Hilpoltsteiner erinnern sich gewiss noch daran, wie an jedem Unsinnigen Donnerstag die Flecklasmänner am Marktplatz ihr Unwesen trieben.

Dabei liefen sie Peitsche knallend von Gasthaus zu Gasthaus, um dort ihren Lohn für das Winteraustreiben in Form von Bier und Essen zu erhalten. Waren es viele Flecklasmänner, ging es den Leuten schlecht und sie sicherten sich damit ein Essen. Wenn jedoch wenige Flecklasmänner liefen, war genug zum Essen vorhanden.

Nachmittags machten sich die Kinder einen Spaß daraus und riefen den Flecklasmännern einen Spruch nach, daraufhin wurde der Flecklasmo natürlich sauer und rannte ihnen Peitsche knallend hinterher. Die Kirchentreppen dienten den Kindern dazu, sich auszuruhen, denn der Flecklasmo darf und durfte die Treppen nicht besteigen.

Die erste Strophe aus dem Flecklasmo-Spruch, der von so vielen Kindern in all der Zeit aufgesagt wurde:

"Flecklasmo, hast Klamperla dro,

hast all derfrorn, bist bucklert worn. Gänskrong, Saumogn, derf ma nimmer song. Hast um fünfasieberzg Pfenning Backstakäs im Mogn. Gänskrong, Saumogn, derf ma nimmer song."

Geschichte des Vereins

Zahllose Jahre lang gab es in Hilpoltstein nur noch einen Flecklasmo, Karl Brunner, dann kamen dessen beiden Söhne Karlheinz und Josef hinzu, doch der Brauch drohte auszusterben.

Im Jahr 2007 gründeten Katrin Schade, ihr Mann Marc, deren Eltern, Bruder Sascha Schleicher den Verein Hilpoltsteiner Flecklasmänner e.V. Die Schleichers entstammen einer alten Larvenschnitzerfamilie aus zuletzt Pleinfeld; zuvor waren diese in Spalt. Auch in diesen Gebieten ist das Wintervertreiben eine jahrhundertealte Tradition.

Derzeit gehören dem Verein 39 Mitglieder an. Der Verein wurde gegründet, um das Brauchtum "Flecklasmo laufen", wieder in seiner ursprünglichen Form in Hilpoltstein aufleben zu lassen und das alte Brauchtum zu erhalten.

Brauchtum vermitteln

Der Verein Hilpoltsteiner-Flecklasmänner machte es sich zur Aufgabe, in die Kindergärten zu gehen, das uralte Brauchtum der nächsten Generation zu zeigen, die Angst vor den doch für Kinderaugen gruseligen Gestalten zu nehmen und – auch den Brauch von den benachbarten Vereinen vorzustellen: Larven von Spalter Fleckli, den Pleinfelder Hummeln, dem Solimu und anderen, den Winter austreibende Gruppen.

Der Verein führt auch das uralte Flecklasmolaufen fort. Die Flecklasmänner treffen sich am "Unsinnigen" erst in ihrem Vereinskeller, dann laufen sie von Wirtschaft zu Wirtschaft. Sie peitschen den Winter vor sich her, vertreiben diesen mit lautem Knall ihrer Kuhpeitschen. Dafür fordern sie wie jeher am "Unsinnigen" und auch am Rosenmontag ihren Tribut ein. Trinken und Essen für ihren schweren und gefährlichen Dienst, da sie sich ja mit dem "bösen Winter" anlegen.

Um den uralten Brauch des Flecklasmos auch fernab von Hilpoltstein bekannt zu machen, nimmt der Verein seit der Gründung an Brauchtumsumzügen teil. 2019 war eine Delegation beim großen Nürnberger Faschingszug dabei und jedes Jahr sind die Flecklasmänner beim Faschingszug in Eckersmühlen zu bewundern. Die Flecklasmänner sind bei vielen regionalen, aber auch überörtlichen Umzügen dabei und waren sogar auf einem Perchten-Umzug in den Rauhnächten im Bayerischen Wald, in der Schwäbisch-Allemannischen Fosnacht in Wäschenbeuren. Sie hatten sogar 2016 Rederecht im Bayerischen Landtag. Natürlich als Maschkera an einem gesonderten Termin, denn ein echter Flecklasmo brummt, raunzt nur unter seiner Larve, es wäre viel zu gefährlich vor dem Winter seine Stimme preis zu geben.

Im Jahr 2015 veranstalteten die Hilpoltsteiner Flecklasmänner ihren ersten Brauchtumsumzug. Seither – bis 2021 – veranstalteten sie sechs Brauchtumsumzüge. 2019 war der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder zugegen, um sich den Brauch anzusehen. Der Brauchtumsumzug 2020, mit interessanten Partnergruppen – bis aus den Bayerischen Alpen und Österreich, bescherte vielen Interessierten ein schön, schauriges Spektakel.

Der Verein verkauft jährlich auf dem Hilpoltsteiner Weihnachtsmarkt "Saure Zipfel". Mit dem Erlös wird der Brauchtumsumzug, als meist einzige Einnahmequelle, finanziert. Die Gruppen laufen im Gegenzug zu Gegenbesuchen kostenlos mit, doch die Musik, meist Guggenmusik, muss finanziert werden. Das "Brauchtumsheft zum Umzug", das örtliche Firmen finanzieren, liegt in einer Auflage von 1000 Exemplaren in der Stadt aus.

Die Gewänder sind in Privatbesitz. Oft schneiden die zukünftigen Mitglieder ihre Rauten, mindestens 2000 an der Zahl, selbst aus. Die Borte an dem Gewand wird mit einem alten Apparat, bestehend aus fünf Fäden geknüpft, aufgeschnitten und angenäht.

Die Larve aus Holz schnitzt die Vereinsvorsitzende Katrin Schade nach alter Tradition. 20 bis 25 Stunden braucht sie für eine Larve. Will man dazu ein komplettes Gewand, fallen 60 bis 65 Arbeitsstunden mühevoller Handarbeit an.

Weitere Infos auch zu Beitritt und Spenden unter www.hilpoltsteiner-flecklasmaenner.de

 

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