Durch Corona: Schub für die digitale Jugendarbeit

13.7.2020, 06:01 Uhr
Rätsel und Lösung: Natürlich handelt es sich um die Rother Kulturfabrik. 

© Fotos: Simon Weiß, Montage: RHV Rätsel und Lösung: Natürlich handelt es sich um die Rother Kulturfabrik. 

Denn Mitte März war erstmal Schluss damit: Die gemeindlichen Jugendtreffs im Landkreis Roth mussten ihren Gästen die Tür vor der Nase zuschlagen. Seit Beginn der Coronakrise ist es ruhig geworden in den Einrichtungen.

Ruhe haben die hauptamtlichen Mitarbeiter dort trotzdem nicht gegeben. Weil Offene Jugendarbeit auch eines bedeutet: "Man spielt eine Rolle im Leben dieser jungen Leute und kann nicht einfach vier Monate von der Bildfläche verschwinden". Das sagt Büchenbachs Jugendpfleger Peter Jordak, der auch den örtlichen Treff "Nibbler" betreut.

Anlaufstelle, Freizeitraum, Werterahmen. All das biete ein Offener Treff der Jugend am Ort. Drum sei während des Shutdowns vieles daran gesetzt worden, den Kontakt zur Klientel zu erhalten. Dabei herausgekommen sind mitunter ideenreiche Konzepte – zum Teil auch mit Zukunftspotenzial für eine Zeit nach der Krise. Denn langsam, gaaaanz langsam kehren die Treffs gerade zur Normalität zurück.

Informelle Treffpunkte gesucht

In Roth habe man vor Beginn der Sommerpause im August noch dreimal geöffnet. Für jeweils zehn Personen und mit einigen Auflagen. "Das widerspricht eigentlich dem Grundgedanken der Offenen Jugendarbeit", erläutert der stellvertretende Jugendhaus-Leiter Simon Weiß. Aber ganz ohne Verbindlichkeiten "geht‘s im Moment halt nicht", bedauert Weiß. Dem durchaus klar ist, dass zu viele Festlegungen die Jugendlichen von einem Besuch der Einrichtung im Neuen Gäßchen abhalten. Überhaupt hätten sich viele von ihnen während der Schließung alternative, informelle Treffpunkte am Ort gesucht. Sie von dort wieder ans Haus zu holen, das sei "schon eine riesige Herausforderung" und viel Arbeit für die nächsten Monate.

Trotzdem wissen die Stammgäste des Jugendhauses: Sie sind nicht vergessen. Dafür hat der Sozialpädagoge einiges getan. Feste Chat-Zeiten, um virtuell miteinander zu kommunizieren; gemeinsames Spielvergnügen über entsprechende Plattformen im Netz; ein Quiz via soziale Medien. "Wir haben alles genutzt, was die Apps so hergeben", erzählt Weiß. Das hätte "vor allem am Anfang des Lockdowns super geklappt!" Ähnliches berichtet Dominik Geiß vom Kinder- und Jugendtreff Allersberg in der Kirchstraße. "Die sozialen Netzwerke und die virtuelle Schiene haben viel mehr Bedeutung erhalten." Digital sei man daher auch geblieben, als erste Lockerungen in Kraft traten und die Leute wieder mehr raus durften.

So schickten die Allersberger ihre Jugendlichen auf eine Rallye durch das Gemeindegebiet, zu der man über das Internet aufgerufen hatte. Bastelpäckchen mit diversen Materialien wurden herausgegeben, aus denen die Kids "was Cooles" machen sollten. Die im Bild festgehaltenen Ergebnisse schickten die Tüftler dann per WhatsApp ans Kinder- und Jugendbüro zurück.

Der Bürgermeister kocht Spätzle

Ein Bike- und HipHop-Workshop, der sich jeweils live ans junge Volk wandte, sei hingegen nicht so gut angekommen, räumt Geiß ein. Versuch und Irrtum. Freilich hätte sich im Verlauf der Pandemie auch das Nutzerverhalten geändert, erklärt Simon Weiß dazu. Waren virtuelle Jugendtreffs anfangs der Renner, so habe sich mit der Zeit "eine Art Sättigungseffekt" eingestellt.

Doch auch darauf habe man reagiert: Foto-Challenge, Schnitzeljagd oder Graffiti-Aktion gingen daraufhin in Roth über die Bühne. Der Aufruf erfolgte über Instagram, Facebook und Co. Und der Erfolg? Sei "ganz erstaunlich" gewesen, freut sich Weiß noch immer. "Da haben so viele Leute mitgemacht – aus den unterschiedlichsten Altersgruppen. Auch welche, die uns als Institution nicht unbedingt auf dem Schirm haben." Ja, man hätte sich durchaus eine neue Klientel erschlossen.

Ob deren Aufmerksamkeit durch die wenigen, derzeit noch stattfindenden Online-Aktionen wie "Mittwochs-Kochen live" aufrecht erhalten werden könne, bleibe allerdings abzuwarten. Denn "virtuelle Angebote zu setzen, frisst viel Zeit." Darum hat man im Hilpoltsteiner Jugendreferat gerade personell aufgestockt, wie Referatsleiter Sven Brand verrät. Dass man sich die digitale Welt auch und gerade in der Offenen Jugendarbeit erschließen müsse, "haben wir schon länger in der Pipeline". Corona hätte dem Ganzen nun einen "Evolutionsschub" verpasst.

Als Zugeständnis an die "digital natives" gebe es ab Herbst iPads für den Hilpoltsteiner Jugendtreff und zusätzliche Stunden für die Ausarbeitung medienpädagogischer Konzepte. Trotzdem liegt für Brand "das Optimum in der Mitte." Digital oder analog? Das sei keine Glaubensfrage, sondern "der Mix machts!"

"Da ist was entstanden"

So sieht das auch Peter Jordak in Büchenbach. Natürlich finde er es gut, wenn Jugendliche "selber ein Fortnite-Turnier organisieren" oder gerne dabei zusehen, wie der Bürgermeister im Livestream Spätzle kocht. Doch was Jordak hauptsächlich begrüßt: "Ich habe schon lange nicht mehr so viele Jugendliche draußen gesehen wie seit Corona." Die jungen Leute hielten sich zwangsläufig mehr im Nahraum auf und würden auf diese Weise der Erkenntnis gewahr: "Ist eigentlich ganz schön hier!"

Auch deshalb setzt Nina Selz vom Kinder- und Jugendbüro Spalt bewusst auf den Heimatfaktor. Nachdem der Alltag der Kids ohnehin von Homeschooling geprägt sei, will sie weg von den Medien und hin zu den "netten Fleckchen" im Spalter Land. Unter anderem mit einem "Urlaub daheim-Actionpass". Nach einer Spalt-Rallye habe sie "ganz viel positives Feedback" erfahren, das sie in ihrem Ansinnen bestärke. "Ja, da ist was entstanden", meint sie mit Blick aufs Thema "Heimat".

So oder so: Ob sich die Lockdown-Konzepte der Jugendarbeiter ähneln oder unterscheiden – auf einen Nenner gebracht, sei es in jedem Fall die gleiche Botschaft, wie Simon Weiß deutlich macht: "Wir sind für die Jugendlichen da."

Verwandte Themen


Keine Kommentare