Ein Jahr nach dem Unwetter in Roth: Der Wald leidet noch immer

29.8.2020, 06:08 Uhr
Der Wald wurde beim Sturm stark beschädigt.

© Elke Bodendörfer Der Wald wurde beim Sturm stark beschädigt.

Hätte Herbert Meyer zu Beginn seiner Karriere als Förster für Jonas Herrmann eine Buche gepflanzt, könnte jener diese noch immer nicht fällen. Denn: Ganze 39 Jahre Lebensalter trennen die Kollegen Herbert Meyer (65) und Jonas Herrmann (26) voneinander. In dieser Zeit befinden sich Fichten aus Sicht eines Försters noch in der Pubertät.Vielleicht würde die Fichte mittlerweile aber ohnehin nicht mehr am Leben sein, weil die Baumart mit der zunehmenden Wärme und Trockenheit schlecht zurechtkommt.

Vielleicht wäre sie aber auch von den Sturmböen im August 2019 einfach umgeknickt worden. Waldwirtschaft ist ein Generationenvertrag. Die Folgen des Unwetters sind für den Wald immer noch fatal. Insgesamt wurden etwa 160 Hektar Wald zerstört, der Wertverlust des Holzes beläuft sich auf zwei Millionen - Folgekosten noch nicht eingerechnet. Dabei ist es kein einfaches Unterfangen, den Wald wieder aufzuforsten.

Denn: Was heute gepflanzt wird, kommt erst den Menschen in Zukunft zu Gute. Jenen Menschen, die durch den Wald joggen und frische Luft atmen, und jenen Menschen, die das Holz schließlich sinnvoll verwerten. Der Job von Peter Tretter, Jonas Herrmann und Herbert Meyer ist es unter anderem, diese Zukunftsvisionen für den Wald umzusetzen, ihn zu bewachen, bewirtschaften und zu erhalten, wie er in seiner gesündesten Form sein soll.


Der Wald ist zum Dauerpatienten mutiert. Schon immer plagte den Forst hier und da ein Wehwehchen, doch in den letzten Jahrzehnten häuften sich die Krankheitsbilder. Sehr heiße Tage schwächen sein Immunsystem, zu trockener Boden verändert die Art, wie er wurzelt und wächst. Pilzinfektionen, die er früher einfach weggesteckt hat, werden nun zu echten Gefahren. "So wie jetzt war es noch nie", bestätigt Herbert Meyer, der bald in Pension geht. "Wir rennen nur noch hinterher."

Dieses Hinterherrennen wird deutlich, als Peter Tretter und Jonas Herrmann zur großen Kahlfläche am am Brunnbachweg nahe der B2 führen. Dort hat sich für den Wald eine besonders fatale Windschneise gebildet. An diesem Montag im August 2020 prallt die Sonne auf die etwa 10 Hektar große Freifläche und beleuchtet riesige Baumwurzeln, unzählige Äste und wuchtige Holzstapel. Modrige, kühle Waldluft riecht man hier nicht, dieser Abschnitt wurde durch den Sturm ein Jahr zuvor quasi freigelegt.

Erstmal sprachlos

"Als ich am Montag nach dem Orkan hergefahren bin, war ich erstmal sprachlos," sagt Jonas Herrmann, Forstrevierleiter in Roth. "Der Wald war hier so dicht wie dort", sagt der 26-Jährige und zeigt auf ein Waldstück in etwa 70 Meter Entfernung, wo die Bäume in die Höhe ragen und die Baumkronen den Boden schattig und feucht halten.

Der kurze Sturm sorgte für ausgefallene Züge, von Bäumen bedeckte Straßen und abgedeckte Dächer. Während diese Folgen des Unwetters schon Tage danach beseitigt wurden, leidet der Wald noch heute. Und die Auswirkungen werden noch Menschen sehen können, die noch nicht einmal geboren wurden.

Die Waldbesitzerin hat hier mittlerweile neue Eichen und Linden gepflanzt, die in etwa 60 Jahren so groß sein werden, wie die, die hier einst standen. Den Generationenvertrag müssen also auch die privaten Waldbesitzer einhalten. Die meisten tun dies auch zuverlässig und schützen ihre jungen Bäumchen mit Plastikhüllen oder Zäunen vor nimmersattem Wild. Bei anderen lässt die Muse und das Engagement nach und sie überlassen die Waldstücke sich selbst. Doch warum eigentlich nicht, reguliert sich die Natur denn nicht selbst?

Dass es nicht so einfach ist, veranschaulichen die beiden Kollegen an einem anderem Beispiel in einem anderen Waldort in der Nähe von Georgensgmünd. Bei diesem Negativbeispiel sucht man nutzbare Bäume vergebens, dafür wuchert der Faulbaum, der weder hoch wächst, noch einen anderen großen Nutzen erfüllt. "Solange keine rechtlichen Grenzen überschritten werden, können wir hier nichts machen", so Tretter. "Da hier genügend Bäume stehen, erfüllt es die Mindestvorgaben für Wald."


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Der Wunschtraum von einer sich selbst regulierenden Natur in einer ansonsten vom Menschen völlig vereinnahmten Welt ist zwar schön, aber wenig realistisch. Peter Tretter erklärt das an einem anschaulichen Beispiel: Man könne seinen eigenen Garten auch sich selbst überlassen und durch Sameneintrag würde durch Zufall vielleicht sogar die ein oder andere Pflanze entstehen. Sieht man sich aber ungepflegte Gärten an, wächst dort meist nicht das, was sich der Mensch erhofft. Um den duftenden Lavendel, den die Hummeln so lieben oder Kirschbäume, die Nascherein und Schatten spenden, muss der Mensch sich also schon selbst kümmern – am Ende steht der Mehrwert für Mensch und Natur.

Aufwendig und nicht billig

Deshalb ist die Aufforstung des Waldes so wichtig, auch wenn sie langwierig, aufwendig und nicht gerade billig ist. Tretter und seine Kollegen haben zu diesem Zweck eine Infoveranstaltung für Waldbesitzer im Herbst geplant. Die Wertigkeit des Waldes soll wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen fließen und insbesondere in jenes der Waldbesitzer, die die Aufforstung noch nicht angehen. Damit das Waldstück nahe der B2 für die Kinder und Enkel, irgendwann in Zukunft, wieder einen dichten, schattigen Wald zeigt, der Tieren ein zuhause bietet, Menschen ein Erholungsgebiet und der Welt ein Sauerstofflieferanten.

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