Eklat-Wahl um Kemmerich: Lindner will Vertrauenfrage stellen

6.2.2020, 16:19 Uhr
Thomas Kemmerichs (li.) Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen am Mittwoch löste bundesweit und international Proteste aus. Jetzt drohen auch innerhalb der FDP Konsequenzen.

© Britta Pedersen/zb/dpa Thomas Kemmerichs (li.) Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen am Mittwoch löste bundesweit und international Proteste aus. Jetzt drohen auch innerhalb der FDP Konsequenzen.

Das Verhalten ihrer Parteikollegen in Thüringen rund um Kemmerich beurteilt Marina Schuster vom Rother Kreisverband der Liberalen kritisch: "Die FDP verhandelt und kooperiert nicht mit der AfD" und "es gibt absolut keine Basis für eine Zusammenarbeit."

Björn Höcke, der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende, der dem neuen Ministerpräsidenten Kemmerich nach dessen Wahl demonstrativ gratulierte, "ist ein Faschist und wird vom Verfassungsschutz beobachtet", erklärt Schuster weiter. Ihr Fazit zur Wahl in Erfurt: "Es ist für mich persönlich daher völlig unverständlich und inakzeptabel, wie Kemmerich gehandelt hat."


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Die FDP ist aus Schusters Sicht "eine weltoffene, liberale Partei", die die Ziele der AfD fundamental ablehne. Der Rother Kreisverband habe das auch schon vor Ort gezeigt, etwa indem der FDP-Kreis- und Stadtrat Gert Sorgatz gegen einen AfD-Parteitag in Greding demonstrierte. Nach der Überzeugung von Schuster hätte Thomas Kemmerich "die Wahl nicht annehmen dürfen."

Der Landtagsabgeordnete Volker Bauer (CSU) räumte ein, dass die Wahl Kemmerichs mit den Stimmen der AfD "offensichtlich mit dem Wissen der CDU geschah. Damit hat man einen Tabubruch begangen." Mit Verweis auf CSU-Parteichef Markus Söder sprach sich Bauer für baldige Neuwahlen in Thüringen aus.

 

 

Was danach folgen könnte, beschreibt Bauer so: "Wir sind besser beraten, mit einem linken Ministerpräsidenten zu kooperieren, als einen 5-Prozent-Mann von der FDP mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten zu machen." Dies gelte insbesondere "nachdem ich erlebe, wie sich die AfD im Bayerischen Landtag benimmt. Diese Partei ist für mich nur schwer erträglich."

Es gibt allerdings auch Stimmen in der CSU, die ihre Begeisterung über die Vorgänge im Erfurter Landtag am Mittwoch offen mitteilen. Im Facebook-Kanal der "WerteUnion in Bayern", die sich als "konservative Basisbewegung" in der CDU/CSU bezeichnet, findet sich ein bemerkenswerter Eintrag: Die Wahl von Thomas Kemmerich wird dort als "politische Sensation" beschrieben, die von der WerteUnion ausdrücklich begrüßt werde. Weiter heißt es in dem Text: Die "Versuche, Kemmerichs linksradikalen Gegenkandidaten Bodo Ramelow als ,moderat‘ oder sogar ,bürgerlich‘ darzustellen, weist die konservative Basisbewegung der CDU/CSU scharf zurück." Und bei der Linkspartei handele es sich "um das derzeit gefährlichste parteipolitische Sammelbecken für Linksextreme."

Stadtratskandidatin widerspricht

In einem weiteren Facebook-Post wird der abgewählte Bodo Ramelow von der Linkspartei als "gefährlicher Regierungschef" bezeichnet. Der Vorsitzende der "WerteUnion in Bayern" ist Oliver Rabe aus Büchenbach, der in seiner Gemeinde bei der Kommunalwahl im März 2020 als Bürgermeisterkandidat für die CSU antritt. Für eine persönliche Stellungnahme war Rabe bislang nicht erreichbar.

Der Landtagsabgeordnete Volker Bauer distanziert sich von den zitierten Äußerungen im Internet: "Das deckt sich nicht mit der Meinung der CSU-Spitze in Bayern", so Bauer: "Ich bin erstaunt über diesen Beitrag".

Der Darstellung der WerteUnion widerspricht auch die Rotherin Susanne Horn. Sie kandidiert für den Rother Stadtrat auf dem ersten Platz der Liste der Linkspartei und sagt: "Bodo Ramelow hat in den letzten Jahren einen sehr guten Job gemacht." Und: "Die Linke ist definitiv kein Sammelbecken für Extremisten." Vielmehr, so Horn, "stellen Rechtsextreme eine sehr große Gefahr dar."

Aus diesen Überlegungen zieht Horn ihre Schlussfolgerungen für Thüringen: "Hinsichtlich unserer Geschichte darf man sich nicht von Faschisten wählen lassen." Ihr Wunsch für die weitere Entwicklung: "Kemmerich sollte zurücktreten, damit es zu Neuwahlen kommt."


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Genau danach sieht es bereits einen Tag nach dessen Wahl aus: Die Landtagsfraktion der Thüringen-FDP erklärte am Donnerstag, dass sie Neuwahlen anstrebt. Sein Amt wolle Kemmerich wieder aufgeben. Über diese Nachricht freuen dürfte sich auch Ursula Burkhardt vom Rother Kreisverband der Grünen. Auf die Wahl Kemmerichs habe sie mit "blankem Entsetzen" reagiert, sagte Burkhardt.

"FDP und CDU haben da mit dem Feuer gespielt", meint Sven Erhardt von der Rother Kreis-SPD: Teile der CDU hätten bereits vor Kemmerichs Wahl offen darüber spekuliert, sich in einer Regierung von der AfD tolerieren zu lassen. Dann lobt Erhardt die Reaktion des bayerischen CSU-Chefs auf die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen: "Ich finde gut, dass Söder das scharf verurteilt und jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD eine Absage erteilt." Wichtig sei jedoch, auf die Wahl des Präsidenten des mittelfränkischen Bezirkstags im November 2018 zu verweisen, so Erhardt: Dabei habe die CSU billigend in Kauf genommen, dass ihre Kandidatin mit AfD-Stimmen gewählt wird. Letztlich unterlag Alexandra Wunderlich knapp mit einer Stimme Unterschied gegen Armin Kroder von den Freien Wählern.

Wir haben auch bei Ferdinand Mang von der AfD im Landkreis Roth nach einer Stellungnahme angefragt. Er reagierte jedoch bislang nicht.

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